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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
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das nicht, Pete, ich kann es einfach nicht.« Sie knüllt die Schürze zusammen und er nimmt sie entgegen, als wüsste er nicht, was es ist.
    »Geh nach Hause, lass dir Zeit, sammle dich wieder«, sagt er, macht dabei aber einen leicht verzweifelten Eindruck. Wir kommen so schon kaum mit der Arbeit hinterher. Und ich fürchte, dass Courtney nicht meint, sie könnte das nur heute Abend nicht machen. Ich glaube, sie hat gerade gekündigt.
    »Was darf es sein?«, frage ich einen großen Mann, der vor dem Tresen steht. Er ist nicht ganz so alt wie mein Dad, aber fast. Er trägt ein Baseballcap der Yankees und ein Shirt der Portland Trailblazers, ist allerdings so übergewichtig, dass man weiß, dass der einzige Sport in seinem Leben sich im Fernsehen abspielt.
    »Kommt drauf an«, sagt er und beugt sich vor. »Was hast du denn zu bieten?« Er zieht eine Augenbraue hoch und grinst dreckig.
    Ich zwinkere. Drehe ich jetzt durch oder hat er das gerade tatsächlich gesagt? Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus. »Raus!«, sage ich, hebe einen Arm und zeige zur Tür.
    Die Frau hinter ihm wackelt mit dem Zeigefinger. »Sie haben gehört, was das Mädchen gesagt hat!«
    Alle starren ihn an, aber er steht noch immer da mit diesem kranken, dreckigen Grinsen.
    »Sehen Sie zu, dass Sie hier rauskommen!« Ich spucke ihm die Wörter regelrecht entgegen.
    Erst als er weg ist, zittere ich.

NOTRUFAUFZEICHNUNG
    Notrufzentrale: Notrufstelle. Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen?
    Alice Russo: Polizei.
    Notrufzentrale: Worum geht es?
    Alice Russo: Ich habe einen Lieferwagen gesehen, dort draußen, wo das Mädchen verschwunden ist. Dieses Pizzamädchen. 
    Notrufzentrale: Meinen Sie Kayla Cutler?
    Alice Russo: Ja. Das Pizzamädchen.
    Notrufzentrale: An welchem Tag war das?
    Alice Russo: Mittwoch. Ja, es war Mittwoch. Genau an dem Abend, an dem das Mädchen verschwunden ist. Ich habe einen weißen Lieferwagen gesehen, sah aus wie ein älterer Ford. Und er fuhr sehr langsam. Als würden sie nach dem Mädchen suchen.
    Notrufzentrale: Sie sagen »sie«. Saßen mehrere Personen im Lieferwagen?
    Alice Russo: Das weiß ich nicht. Ich konnte nicht in den Wagen sehen. Aber ich weiß, dass es ein älterer Lieferwagen von Ford war. Weiß. Und den habe ich hier in der Gegend bisher noch nie gesehen.

Der vierte Tag
KAYLA
    Ich wache auf. Zumindest nehme ich an, dass ich wach bin.
    Vielleicht bin ich tot.
    Es ist vollkommen dunkel. Meine rechte Kopfhälfte pocht vor Schmerzen.
    Ich muss am Leben sein. Tote spüren keine Schmerzen, oder?
    Nach fünf Minuten oder vielleicht auch einer Stunde richte ich mich schließlich auf. Großer Fehler. Mein Kopf ist an der Unterlage festgeklebt. Als ich das merke, ist es bereits zu spät. Ich schreie auf vor Schmerz. Es ist, als würde ich skalpiert.
    Ich schreie weiter, doch jetzt finde ich auch Wörter. »Hilfe! Kann mir jemand helfen? Ich bin verletzt!«
    Die Wörter hallen direkt zurück zu mir. Es scheint, als wären meine Rufe hier gefangen, wo auch immer hier ist. Genau wie ich. Was ist passiert? Wo bin ich?
    Keiner kommt. Keiner antwortet mir.
    Ein warmes Rinnsal aus Blut läuft mir in den Nacken. Wie schlimm ist es? Ich habe Angst, es herauszufinden. Wenn ich danach taste, werde ich Knochen berühren? Vielleicht sogar Hirn?
    Ich atme schneller. Ich höre mich winseln, ein hastiges, leises Geräusch, das mir noch mehr Angst einjagt.
    Schließlich hole ich tief Luft und lege die Fingerspitzen an meinen Kopf. Die Wunde klafft wie geöffnete Lippen. Sie reicht von der Schläfe bis zum Ohr. Sie blutet beharrlich, aber nicht in Strömen. Keine Knochensplitter. Nichts, was sich wie Hirnmasse anfühlt. Ich lasse die Hand wieder sinken.
    Blind taste ich meine Umgebung ab. Ich sitze auf etwas, vermutlich ein Bett. Hinter mir ist eine Wand. Links eine weitere. Ich stehe auf und renne fast direkt gegen eine dritte Wand, die parallel zum Bett verläuft. Meine Finger gleiten über die Wände und stoßen endlich auf etwas, das sich wie ein Lichtschalter anfühlt.
    Das Licht, das von zwei surrenden Leuchtröhren kommt, ist so grell, dass ich die Augen zukneife. Ich zwinge mich, sie wieder zu öffnen.
    Die Luft flimmert wie weißes Konfetti. Schwindelerregend.
    Ich schließe die Augen und setze mich. Hart. Mein Magen rebelliert, als wollte er sich übergeben. Ich kämpfe dagegen an und schlucke.
    Schließlich gelingt es mir, die Augen erneut zu öffnen und ich sehe mich um.
    Was ist das hier? Wo bin ich?
    Ich bin in
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