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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal
Autoren: Ian Fleming
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auch hatte. Und nach und nach betrachtete Bond das kleine Fachwerkhaus und den unendlichen Horizont des Meeres als seine Welt.
    Kissy hielt ihn sorgsam von der Südküste der Insel fern und fürchtete schon den Tag, an dem die Fangsaison wieder beginnen und er die hohe schwarze Mauer jenseits der Meerenge sehen würde.
    Der Arzt wunderte sich, daß Bond keinerlei Fortschritte machte, und kam zu der Überzeugung, daß er sein Gedächtnis für immer verloren hatte. Bald wurden seine Besuche überflüssig, da Bonds körperliche Gesundheit und seine offensichtliche Zufriedenheit mit seinem Schicksal erkennen ließen, daß er sich sonst völlig erholt hatte.
    Aber es gab etwas, das Kissy sehr unglücklich machte. Seit der ersten Nacht in der Höhle teilte sie Bonds futon, und als es ihm wieder gutging und er in das Haus zurückgekehrt war, wartete sie jede Nacht darauf, daß er sie liebte. Doch obwohl er sie ab und zu küßte und oft ihre Hand hielt, schien sein Körper sie gar nicht zu bemerken, so sehr sie sich auch an ihn preßte und ihn streichelte. Hatte seine Verletzung ihn impotent gemacht? Sie fragte den Arzt, doch er meinte, daß kaum ein Zusammenhang bestehe, daß er aber durchaus vergessen haben könnte, wie man liebt.
    So kündigte Kissy Suzuki eines Tages an, daß sie mit dem wöchentlichen Postschiff nach Fukuoka fahren werde, um einige Sachen zu besorgen. Sie fragte sich zu dem örtlichen »Laden der Liebeswonnen« durch, der in jeder japanischen Stadt, die etwas auf sich hält, anzutreffen ist, und trug ihr Anliegen dem verschrobenen graubärtigen Mann hinter dem harmlosen Ladentisch vor, auf dem nichts Verfänglicheres als Stärkungs- und Empfängnisverhütungsmittel standen. Er fragte sie, ob sie fünftausend Yen besitze. Als sie bejahte, schloß er die Ladentür ab und bat sie in sein Hinterzimmer.
    Der Händler beugte sich hinunter und zog unter einer Bank einen Kasten hervor, der wie ein kleiner Kaninchenstall aussah. Er stellte ihn auf die Bank, und Kissy sah, daß darin vier große Kröten auf einem Polster aus Moos saßen. Dann kramte er einen metallenen Gegenstand heraus, der einer Heizplatte mit einem kleinen Drahtkäfig in der Mitte ähnelte. Vorsichtig hob er eine der Kröten heraus und setzte sie in den Käfig. Schließlich brachte er noch eine große Autobatterie, und schloß mit Hilfe zweier Kabel die »Heizplatte« an die Batterie an.
    Die Kröte begann leicht zu zittern. Der Händler beobachtete sie ängstlich und rieb sich dann zufrieden die Hände, als sich auf der warzigen Haut der Kröte überall dicke Schweißtropfen bildeten. Er nahm einen Teelöffel und eine kleine Medizinflasche, entfernte den Drahtkäfig, kratzte die Schweißtropfen vom Körper der Kröte und ließ sie in das Fläschchen tropfen. Schließlich enthielt es etwa einen halben Teelöffel einer klaren Flüssigkeit. Er verkorkte es und gab es Kissy, die es mit Ehrfurcht und Sorgfalt hielt, als sei es ein kostbares Juwel. Der Händler löste die Kabel und setzte die Kröte, der die Prozedur nichts auszumachen schien, in den Kasten zurück.
    Er wandte sich an Kissy und verbeugte sich. »Wenn dieses wertvolle Produkt von einem Kunden verlangt wird, lasse ich ihn bei der Destillation zusehen. Sonst könnte er vielleicht auf den unwürdigen Gedanken kommen, daß das Fläschchen einfaches Wasser aus der Leitung enthält. Der Kröte bereitet es nur vorübergehende Unannehmlichkeiten, und sie wird heute abend mit einer Extraportion Fliegen oder Grillen belohnt.« Er ging zu einem Schrank und nahm eine kleine Tablettenschachtel heraus. »Dies hier ist Pulver aus getrockneter Eidechse. Beide zusammen in das Abendessen deines Geliebten geschüttet, sollten sich als unfehlbar erweisen. Zur Anregung seines Geistes und seiner Sinne aber kann ich dir für weitere tausend Yen ein vorzügliches Kopfkissenbuch liefern.«
    »Was ist ein Kopfkissenbuch?«
    Der Händler ging zu seinem Schrank zurück und holte ein billig gebundenes Buch mit einem schmucklosen Einband. Kissy öffnete es. Ihre Hand fuhr zum Mund und sie wurde puterrot. Da sie aber ein vorsichtiges Mädchen war, das nicht betrogen werden wollte, blätterte sie weiter. Alle Seiten enthielten pornographische Stiche des Liebesaktes in allen nur möglichen Lagen. »Sehr gut«, flüsterte sie. Sie gab ihm das Buch zurück. »Packen Sie bitte alles ein.« Sie zog ihren Geldbeutel heraus und zählte ihm die Geldscheine in die Hand.
    Draußen im Laden überreichte ihr der alte Mann das
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