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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal
Autoren: Ian Fleming
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entsprechend unterweist, werden sie diesen Leuten gegenüber shiran-kao zeigen; sie werden sagen, daß sie nichts wissen; daß dieser Todoroki zum Festland geschwommen sei und daß man seither nichts mehr von ihm gehört habe. Dann werden die Leute wieder weggehen. Alles was ich möchte, ist für ihn sorgen und ihn für mich behalten zu dürfen, solange ich kann. Wenn der Tag kommt, an dem er gehen will, werde ich ihn nicht aufhalten. Ich werde ihm helfen. Er war mit mir und David hier doch glücklich. Er hat es mir gesagt. Sobald er sich erholt hat, werde ich dafür sorgen, daß er auch weiterhin glücklich ist. Sollte Kuro seinen Helden, den die Götter zu uns geschickt haben, nicht pflegen und ehren? Wollen ihn die sechs Wächter nicht eine Zeitlang hier behalten? Und habe ich nicht eine kleine Anerkennung für meine bescheidenen Bemühungen verdient, Todoroki-san geholfen und sein Leben gerettet zu haben?«
    Der Priester schloß die Augen und saß längere Zeit schweigend da. Dann sah er in das flehende Gesicht zu seinen Füßen hinab. Er lächelte. »Ich werde tun, was ich kann, Kissy-chan. Bring jetzt den Arzt zu mir und führe ihn dann hinauf zur Höhle, damit er die Wunden dieses Mannes behandeln kann. Dann spreche ich mit den Ältesten. Aber viele Wochen lang mußt du sehr vorsichtig sein, und der gaijin darf sich nicht sehen lassen. Wenn alles wieder ruhig ist, kann er in das Haus deiner Eltern ziehen und sich zeigen.«
    Der Arzt kniete neben Bond in der Höhle und rollte eine große Zeichnung des menschlichen Kopfes auf dem Boden aus. Die einzelnen Teile waren mit Zahlen und Symbolen bezeichnet. Geschickt untersuchte der Arzt Bonds Verletzung auf einen Bruch hin, während Kissy neben ihm kniete und Bonds feuchte Hände hielt. Der Arzt beugte sich vor, hob nacheinander die Lider hoch und betrachtete die glasigen Augen eingehend mit einer Lupe. Auf seine Anweisung hin holte Kissy heißes Wasser, und der Arzt säuberte den tiefen Einschnitt, den der Streifschuß in der mächtigen Beule hinterlassen hatte, die von Bonds Sturz in das unterirdische Verlies stammte. Dann stäubte er ein Desinfektionsmittel in die Wunde und verband den Kopf fachgerecht. Er klebte ein Pflaster über den Schnitt auf Bonds Brust und ging dann mit Kissy vor die Höhle. »Er bleibt am Leben«, sagte er, »aber es kann Monate, ja sogar Jahre dauern, bis er sein Gedächtnis zurückgewinnt. Gerade der Teil des Hirns, wo das Gedächtnis sitzt, ist verletzt. Das bedeutet, daß eine intensive Schulung notwendig sein wird. Du mußt ihn laufend an vergangene Dinge und Orte erinnern. Dann werden einzelne Ereignisse, die er wiedererkennt, zu Assoziationen führen. Man sollte ihn zweifellos zum Röntgen nach Fukuoka bringen, aber ich glaube, es ist nichts gebrochen; außerdem hat der kannushi-san angeordnet, daß er unter deiner Aufsicht hierbleiben und daß seine Anwesenheit auf der Insel geheimgehalten werden soll. Ich werde natürlich die Anordnungen des ehrwürdigen kannushi-san befolgen und ihn nur nachts besuchen. Aber du mußt sehr vorsichtig sein, denn er darf mindestens eine Woche lang unter keinen Umständen bewegt werden. Und jetzt höre zu«, sagte der Arzt und gab ihr genaue Anweisungen für Bonds Ernährung und Pflege.
    Die Tage wurden zu Wochen, und die Polizei kam immer wieder von Fukuoka herüber, und der Beamte namens Tanaka kam aus Tokio, und später traf dann noch ein mächtiger Mann ein, der behauptete, aus Australien zu stammen. Mit ihm hatte es Kissy am schwersten. Aber man zeigte ihnen das steinerne Gesicht des shiran-kao; Kuro hütete sein Geheimnis. James Bonds Körper wurde langsam wieder kräftiger, und Kissy unternahm mit ihm in den Nächten kurze Spaziergänge. Ab und zu schwammen sie auch in der kleinen Bucht, wo sie mit David spielten. Kissy erzählte ihm von Kuro und den Amas und wich geschickt allen seinen Fragen über die Welt außerhalb der Insel aus.
    Es wurde Winter, und die Amas konnten nicht hinausfahren. Sie besserten ihre Netze und Boote aus und bearbeiteten ihre kleinen Felder auf dem Hügel. Bond kehrte ins Haus zurück und machte sich als Zimmermädchen nützlich; außerdem brachte ihm Kissy Japanisch bei. Der starre Blick verschwand aus seinen Augen, doch sie blieben weiterhin verschleiert, und jede Nacht verwirrten ihn Träume, in denen weiße Menschen, große .Städte und irgendwie vertraute Gesichter auftauchten. Doch Kissy versicherte ihm, daß dies nur Alpträume ohne Bedeutung seien, wie sie sie
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