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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
Autoren: Stephen R. Lawhead
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dass sie mit dir draußen in der Wüste gewesen war.«
    »Das ist richtig.«
    »Sie hat mir gesagt, etwas Außergewöhnliches wäre geschehen.« Tony betrachtete den großen, schlaksigen Mann aus Arizona, um irgendein verräterisches Anzeichen eines Gefühls, eines Wiedererkennens oder eines bloßen Interesses zu erkennen. »Sie hat mir erzählt, du hättest sie auf etwas mitgenommen, das sie die Geisterstraße nannte – dass du und sie eine andere Welt besucht habt oder zumindest einen anderen Ort in dieser Welt.«
    »Deine Tochter redet viel.«
    »Das tut sie, ja – wenn sie aufgeregt ist. Ich konnte am Telefon erkennen, dass sie schrecklich aufgeregt war – entnervt, verängstigt sogar –, was bei ihr selten der Fall ist. Sie sagte, dass du ihr, wissenschaftlich gesprochen, ein Phänomen jenseits der normalen menschlichen Erfahrung gezeigt hattest. Sie bat mich, herzukommen und ihr zu helfen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.« Dieser letzte Teil seiner Darstellung entsprach streng genommen nicht der Wahrheit. Er selbst war es gewesen, der darauf bestanden hatte, nach Sedona zu kommen, um Cassandras Geschichte zu überprüfen. Doch er hatte das Gefühl gehabt, die Aufforderung dazu wäre unausgesprochen in der Tatsache enthalten gewesen, dass seine Tochter ihn überhaupt erst angerufen hatte. »Das ist der Grund, weshalb ich hier bin.«
    »Du hast gesagt, du wärst hier, um deine Tochter zu finden.«
    Der Physiker ignorierte die Starrköpfigkeit des Mannes und versuchte weiterhin, sich auf sein Hauptanliegen zu konzentrieren. »Cass sagte, sie hätte etwas Unglaubliches und Lebensveränderndes entdeckt.«
    »Das hat sie nicht.«
    Tony starrte den verstockten Indianer an. Versuchte Freitag etwa, ihn zu provozieren?
    »Wie bitte?«, entfuhr es Tony. »Was hat sie dann gemeint? Was ist da draußen in der Wüste passiert, das sie hat glauben lassen, sie hätte etwas gesehen, das ihre Fähigkeiten, Dinge zu beschreiben, weit übersteigen würde?«
    »Die Yavapai haben immer schon von der Geisterstraße gewusst. Deine Tochter hat sie nicht entdeckt.«
    »Richtig. Hab ich nun begriffen. Cassandra fand diese Geisterstraße, und sie wusste nicht, was das war: Es war für sie neu; sie hatte noch nie zuvor eine gesehen. Also, was ist dann geschehen? Wohin hast du sie mitgenommen?«
    »Ich habe sie nicht mitgenommen«, entgegnete Freitag. »Sie ist mir gefolgt.«
    Tony begriff allmählich, wie dieser Bursche tickte. Er mochte eine Feder in seiner langen schwarzen Haarflechte tragen sowie die verblassten Denim- und Chambray-Stoffe eines modernen Cowboys aus dem Südwesten anhaben, doch dieser störrische Nachkomme amerikanischer Ureinwohner war allen auf strenge Auslegungen bedachten Pedanten im Laborkittel ebenbürtig, denen Tony in seinen Jahren als Physiker in der Forschung jemals begegnet war. Wie Tonys akademische Amtskollegen beharrte Freitag starrköpfig auf der präzisen Bedeutung seiner Worte und unternahm nicht die geringsten Anstrengungen, um die Kommunikation zu vereinfachen.
    »Okay, sie ist dir gefolgt«, sagte Tony. »Cass hat mir von einem Ort erzählt, der Geheimer Canyon genannt wird. Ich habe ihn auf der Landkarte ausfindig gemacht. Ist es dort, wo die Geisterstraße gefunden werden kann?«
    »Ja.«
    »Ich möchte ihn sehen. Ich möchte, dass du mich dorthin bringst.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist nicht für dich.«
    »Ist mir egal. Meine Tochter wird vermisst, und ich werde sie finden. Der Geheime Canyon scheint mir ein sehr guter Ort zu sein, um mit der Suche zu beginnen.« Er fixierte den widerwilligen Führer mit dem starren Blick eines Vaters, der sich nicht verärgern oder abweisen ließ. »Und du, mein Freund, wirst ihn mir zeigen.«
    Freitags Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er sah aus, als hätte man ihn aus Eichenholz geschnitzt. »Nein.«
    »Lass uns diese Angelegenheit auf eine andere Weise betrachten«, schlug Tony vor, der nun einen angemesseneren Tonfall annahm. »Du kannst mir genau das zeigen, was du Cassandra an jenem letzten Tag gezeigt hast, an dem sie in Sedona gesehen worden ist. Oder du wirst es der Polizei zeigen, nachdem ich ihr erzählt habe, dass du Cassandra zu einem Spaziergang in die Wüste mitgenommen hast.«
    Das hinterließ einen Eindruck. Tony sah einen Schimmer der Besorgnis in den schwarzen Augen aufblitzen.
    »Ja«, fuhr Tony fort und nickte langsam, »das ist das Angebot. Entweder nimmst du mich mit, damit ich da draußen die Geisterstraße zu
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