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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
Autoren: Stephen R. Lawhead
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noch weit?«, fragte Mina irgendwann. »Ich kann meine Hand kaum noch vor Augen sehen. Vielleicht sollten wir anhalten.«
    »Wir sind fast da«, versicherte Kit ihr. »Es ist gleich um die nächste Biegung.«
    Wenige Dutzend Schritte später erreichten sie eine Stelle, wo der Fluss in einem weiten Bogen um eine scharfe Krümmung der Felswand strömte und dabei eine kleine Halbinsel formte. Das Land an der Biegung des Flusses – an drei Seiten von Wasser umgeben – war der Ort, dem Kit den Namen Fluss-Stadt gegeben hatte. Er blieb stehen, spähte in die Dunkelheit hinein und suchte den Ort nach irgendwelchen Anzeichen von menschlichen Behausungen ab. Er schnupperte in der Luft, doch er nahm nur die Gerüche des Flusses wahr: die Steine, den Schlamm und die Wasserpflanzen.
    »Es ist ziemlich ruhig«, flüsterte Mina. Sie blickte auf Bruder Lazarus neben ihr, der mit den Achseln zuckte. »Ich glaube nicht, dass es hier irgendjemanden gibt.«
    »Du würdest sie nicht erblicken, es sei denn, sie wollen gesehen werden«, entgegnete Kit. »Los, lass uns das überprüfen.«
    Er führte sie weiter in das Gelände an der Flussbiegung hinein und zum Herzen der primitiven Siedlungsstätte. Sie schlugen sich durch Gebüsch und Bestände junger Birkenbäume, bis sie zur äußersten Spitze der Halbinsel kamen, wo Kit stehen blieb. »Hier verbrachten wir die warmen Monate«, berichtete er und schaute sich auf der kleinen Lichtung um. »Wenn der Clan immer noch existierte, würde er hier sein.«
    Mina bemerkte den melancholischen Unterton in seiner Stimme. »Es tut mir leid, Kit. Wirklich.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Aber wir wussten, dass es eine weit hergeholte Vermutung war.«
    »Oh, ja«, seufzte er, und ein sehnsüchtiger Schmerz durchfuhr ihn auf einmal. »Dennoch habe ich gehofft … dass wir etwas finden würden, weißt du?«
    »Du hast immer die Möglichkeit, irgendwann zurückzukommen. Beim nächsten Mal hast du vielleicht mehr Glück, sie ausfindig zu machen.«
    »Ich nehme es an.«
    »Was jetzt?«
    »Wir werden die Nacht hierbleiben«, antwortete er. »Es gibt keinen besseren Platz in der Gegend, um ein Lager aufzuschlagen. Wir können ein wenig schlafen und am Morgen zu der Ley-Linie zurückkehren.«
    »Und dann zurück nach Prag? Zu Schnitzel und Bier?«
    »Zurück zu Schnitzel und Bier – und zu Engelberts außergewöhnlichem Strudel.«
    Kit zeigte den beiden anderen, wie die Mitglieder des Stammes aus gebogenen Ästen ihre primitiven Hütten anfertigten, und tat in der Dunkelheit sein Bestes, um einen Unterschlupf für sie zu errichten. Bruder Lazarus fand Brombeeren und sammelte für jeden von ihnen einige Hand voll dieser Früchte. Sie verbrachten eine angenehme Nacht – so angenehm, wie eine Nacht ohne richtiges Essen, Feuer oder auch nur viel Schlaf es zuließ – und weckten sich gegenseitig lange vor Tagesanbruch wieder auf, sodass sie rechtzeitig die Ley-Linie erreichen konnten.
    Als sie sich dem Pfad näherten, der nach oben und aus der Schlucht herausführte, hielt Kit inne. »Danke, dass ihr beide mit mir zusammen dorthin gegangen seid«, sagte er. »Es hat mir eine Menge bedeutet.«
    »Wir haben eigentlich überhaupt nichts gemacht«, entgegnete Wilhelmina und übersetzte die Worte für Bruder Lazarus, der ihr zustimmte.
    »Ihr seid dazu bereit gewesen«, betonte Kit. »Das ist genug.«
    Als die Sonne die hohen Kanten des Schluchtrandes berührte und den weißen Kalkstein in Brand zu setzen schien, wandte Kit sein Gesicht dem Pfad zu. »Sollen wir?«
    »Vorwärts in die Zukunft!«, antwortete Mina, trat zwischen die beiden Männer und streckte ihre Hände aus. »Bewegt euch zügig, meine Herren. Das Frühstück im Großen Kaiserlichen Kaffeehaus wartet auf uns. Und ich weiß ja nicht, wie es euch so geht, doch ich könnte jetzt sofort eine Tasse starken Kaffee gebrauchen.«

ZWEITES KAPITEL

    S chau her«, sagte Tony Clarke mit erhobener Stimme, »meine Tochter ist seit drei Tagen verschwunden! Niemand hat auch nur eine einzige Spur von ihr gefunden. Du bist der letzte Mensch gewesen, der sie gesehen hat –«
    »Nicht der letzte Mensch«, verbesserte ihn Freitag. »Ihre Freunde haben sie gesehen.«
    »Das stimmt«, räumte Tony ein, der sich bemühte, seine gereizte Stimmung unter Kontrolle zu halten und in einem ausgeglichenen Ton zu reden. »Das gebe ich zu: Ihre Freunde haben sie im Red Rocks Café gesehen. Später an jenem Abend habe ich mit ihr telefoniert, und da hat sie berichtet,
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