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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Verdeutlichung der großen Kluft zwischen Wissenschaft und Religion. Dennoch war er hier in all seiner bronzenen Pracht – geehrt in Rom (dem Ort seiner Demütigung) und in einer christlichen Kirche. Hatte ich die Geschichte falsch verstanden?
    Als Wissenschaftler war Galileo Galilei (1564–1642) eingebunden in den großen Gärungsprozess wissenschaftlicher und philosophischer Untersuchungen im Europa des späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhunderts. Da er wohlbekannt, respektiert und selbst ein Katholik war, erfreute er sich ursprünglich starker Unterstützung durch Kreise innerhalb der Kirche. Papst Urban VIII. war ein enger persönlicher Freund und früher Verteidiger nicht nur von Galilei, sondern von wissenschaftlichen Bestrebungen im Allgemeinen. Tatsächlich war Urban so fasziniert von Galileis Ideen, dass er als jemand gesehen werden wollte, der seinen Freund unterstützte und für die neuen Theorien eintrat. Zu diesem Zweck schrieb Urban eine kleine Abhandlung, die in Galileis fesselndes Buch über Planetenbewegungen (»Dialog über die zwei wichtigsten Weltsysteme«) aufgenommen werden sollte. Und mit genau diesem Werk fingen Galileis Schwierigkeiten an.
    Trotz seiner Begeisterung war der Papst vielleicht nicht die beste Wahl, um die Feinheiten der zur Diskussion stehenden, mutigen neuen Theorien zu erläutern: Wissenschaftlich gesehen entsprach seine Arbeit nicht den Anforderungen. Darüber hinaus machte es Galilei zu schaffen, dass da jemand war – selbst wenn es sich um seinen sehr mächtigen und einflussreichen Freund Urban handelte –, der ein Stück des Rampenlichts mit ihm teilte. Er stimmte jedoch widerwillig zu, die Abhandlung des Papstes mit aufzunehmen – wie hätte er das verweigern können? Doch in einem erschreckend unbedachten Schachzug schrieb Galilei einen Teil seines neuen Buches in Form eines Dialoges zwischen mehreren Figuren nieder: In der Hauptsache waren dies ein kluger, kenntnisreicher Wissenschaftler, der als der Akademiker bezeichnet wurde und der all die brillanten, innovativen Ideen erläuterte, und ein Trottel namens Simplicio – der Simpel –, der altmodischen Unsinn palaverte. Dreimal dürfen Sie raten, wen die Figur des Wissenschaftlers darstellte und wessen Gedanken dem Schwachkopf in den Mund gelegt wurden.
    Natürlich war Urban wütend, als er das Ergebnis las. Dieser Mann Galileo Galilei, mit dem er sich angefreundet und den er verteidigt hatte, verhöhnte ihn hier vor der ganzen Welt, nannte ihn einen Simpel und gab seine Ideen dem allgemeinen Spott preis. Dadurch beleidigte Galilei den Papst und verstimmte so einen seiner größten und mächtigsten Unterstützer. Es gab damals Kräfte, die Galilei gegenüber zutiefst kritisch eingestellt waren – nicht so sehr wegen seiner Wissenschaft, sondern wegen seiner lautstarken Beharrlichkeit, theologische Behauptungen zu machen, die seine Fachkenntnisse in solchen Themen überschritten. Daher wurde Anklage gegen Galilei erhoben. Letzten Endes wurde Galilei, ohne die Unterstützung und den Schutz des Papstes, vor die Inquisition gerufen, um auf mehrfache Beschuldigungen zu antworten. Unfähig, eine schlüssige Verteidigung auf die Beine zu stellen, wurde er der Häresie für schuldig befunden. (Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, dass Galilei von vielen als ein wissenschaftlicher Häretiker betrachtet wurde, lange bevor die Kirche in die Kontroverse verstrickt war. Kollegen, die sich an alte Ansichten und Theorien klammerten, tadelten ihn – nicht wegen seiner Theologie, sondern wegen seiner Wissenschaft . Der wissenschaftlichen Orthodoxie vollkommen zu widersprechen kann mindestens genauso gefährlich sein, wie religiöse Konventionen zu missachten.)
    Bei der Einforderung der Bestrafung zeigte die Kirche eine bemerkenswerte Nachsicht: Es gab keine Hinrichtung und keine Einkerkerung im eigentlichen Sinne. Galilei wurde unter Hausarrest gestellt und daran gehindert, zu lehren oder öffentliche Vorträge zu halten. Dennoch wurde er weiterhin von vielen seiner mitfühlenden wissenschaftlichen und theologischen Freunde besucht und korrespondierte mit ihnen. Tatsächlich verbrachte er ein Jahr seiner »Gefangenschaft« im Haus des Erzbischofs von Siena, einem weiteren Freund und Unterstützer, und er veröffentlichte eines seiner besten Werke in dieser Periode. Auf diese Weise wurde die Wissenschaft weiterhin mithilfe der Kirche vorangebracht, und Galileis Beiträge wurden offen besprochen und
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