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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
Autoren: Stephen R. Lawhead
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eröffnet wurde, von einem Ort zum anderen zu springen. Außerdem berichtete er, dass Schamanen, welche die mysteriösen Pfade benutzten, sehr langsam zu altern schienen – wenn überhaupt. Und dass es durch das Reisen auf den Geisterstraßen eine große Weisheit zu erringen gab.
    Tony begriff, dass er einen Crashkurs in interdimensionalem Reisen erhielt, und sog alles auf, was gesagt wurde. Sein Verständnis von der Sache wuchs in großen und kleinen Sprüngen, da sein schnell arbeitender Verstand augenblicklich Verbindungen herstellte zwischen dem, was ihm erzählt wurde, und der Wissenschaft, die bislang sein Lebenswerk war.
    Während sie redeten, kamen die roten Felswände näher: Abrupt erhoben sie sich aus der sie umgebenden Ebene, schroff und Achtung gebietend im glänzenden Morgenlicht. Bevor die Sonne die hoch aufragenden Felsstapel im Osten aufgehellt hatte, war er von seinem Führer zum halb verborgenen Eingang der Trockenschlucht geleitet worden, die als Geheimer Canyon bekannt war.
    Während Freitag einen letzten Blick zum Himmel warf, sagte er: »Wir sind rechtzeitig da.«
    Tony schaute sich um. Steile Wände aus tiefrotem Sandstein formten senkrechte Vorhänge auf jeder Seite einer engen Schlucht, deren Boden zumeist glatt und eben war. Das Innere des Tals zwischen den zwei welligen Wänden war durchdrungen von Schatten. »Was geschieht als Nächstes?«, fragte er.
    »Wir gehen.«
    »Nach dir.«
    Freitag nickte und ging in den Canyon hinein; einen Schritt hinter ihm folgte Tony. Es dauerte ein paar Momente, bis sich die Augen des Wanderers dem dämmrigen Licht angepasst hatten, das vom Himmel hoch oben nach unten durchdrang. In der Luft war ein mineralischer Geruch – von Stein und Wasser und Ozon –, der durch den trockenen Wüstenwind entstand, wenn er über den Rand des Canyons hinwegstrich. Die zwei folgten dem sich sanft biegenden Pfad durch die Schlucht, bis sie zu einer Stelle kamen, wo der Wanderweg gerade wurde. Freitag begann schneller zu gehen, und seine Schritte wurden länger.
    Tony, der seinen indianischen Führer beobachtete, ahmte den langen, schreitenden Gang so gut wie möglich nach. Und einen Augenblick später spürte er den leichten Atem einer frischen Brise, die über sie hinwegwehte. Ein paar weitere Schritte, und die Schatten wurden sogar noch dunkler. Als er hochblickte, sah er, dass sie in ein Gebiet von Nebelschleiern geraten waren, die entlang des Canyon-Randes herabhingen. Ein oder zwei Sekunden später spürte er die ersten kleinen Regentropfen auf seinem Hals und seinen Händen.
    Der leichte Wind frischte auf. Er pfiff zwischen den hohen Felsen herum und sandte einen kleinen Hagel von Kieselsteinen auf sie herab.
    »Bleib dicht bei mir, und pass auf deinen Schritt auf«, wies Freitag ihn an.
    »Ist das ein Teil davon?«, fragte Tony.
    »Ja.«
    Freitags Schritte wurden schneller, ohne dass es den Anschein hatte, er würde sich irgendwie rascher bewegen. Er streckte eine Hand nach Tony aus, der sie ergriff und beinahe augenblicklich von einer fürchterliche Windböe von den Füßen gerissen wurde. Oder zumindest war es das, was sich entsprechend seiner Vorstellung ereignet hatte. Denn im selben Augenblick, als der Wind ihn traf, zeigte der Boden des Canyons eine Veränderung seines Niveaus – bloß ein halber Schritt, aber genug, um den Wissenschaftler vehement aus dem Tritt zu bringen. Er verlor sein Gleichgewicht und wäre nach vorn auf Hände und Knie gestürzt, hätte Freitags Griff ihm nicht Stabilität verliehen.
    Alles geriet ein wenig durcheinander. Der herabhängende Nebel schien vor ihm vorüberzuziehen, und Tony fühlte eine glitschige Dunstschicht auf seinem Gesicht. Dann verschwand die Wolke, und er stand bei hellem Tageslicht in der Wüste. Zuerst dachte er, dass sie lediglich den Canyon verlassen hatten, und als Tony zurückschaute, ging er fest davon aus, hinter sich die roten Felsenwände zu sehen. Was er stattdessen erblickte, verschlug ihm den Atem und warf seinen Verstand aus der Bahn.
    Die charakteristischen Sandstein-Stapel von Sedona waren nirgendwo mehr zu entdecken – und auch keine einzige Yucca-Pflanze und kein einziger Riesen- oder Barrel-Kaktus. Stattdessen sah er, dass sie auf einer ungeheuer großen, leeren Ebene standen, die flach wie eine Pfanne war – bis zum Horizont, wo in der blauen Ferne eine Gruppe uneinheitlicher Hügel zu sehen war. Tony stand in einem flachen Graben, der aus dem losen vulkanischen Bimsstein, der die Ebene
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