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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
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Junge schrie. Die Mistgabel fiel zu Boden. Heftig biss Lex in den linken Arm, den der Bursche zum Schutz vor sein Gesicht gerissen hatte. Kaum war der Ausgang frei, rasten die Schweine quiekend aus ihrem Gefängnis. Es kümmerte Lex nicht. O, wie gut warmes Blut schmeckte! Wie in Trance wollte er noch einmal, noch fester zubeißen, als er ein Knurren wahrnahm.
    Lex musste sich zwingen, zu Serafin aufzusehen. Der schwarze Wolf stand über ihm auf dem hölzernen Gatterzaun und blickte ernst auf ihn herab. Tadel stand in seinen Augen.
    Wütend blitzte Lex ihn an. Er würde nicht gehorchen. Nicht jetzt. Er wollte fressen!
    Auf einmal spürte Lex einen stechenden Schmerz an seinem Vorderlauf. Er fuhr herum. Mit ganzer Kraft hatte der keuchende Junge sein Taschenmesser tief in sein Bein gestoßen. Taumelnd sah Lex aus den Augenwinkeln, wie die Stalltür aufgestoßen wurde. Ein großer Mann stürmte herein, rief irgendeinen Namen, richtete eine Flinte auf ihn und schoss.
    Im selben Moment warf sich Serafin auf den Menschen. Die Kugel verfehlte knapp ihr Ziel und schlug in den Gatterzaun ein, sodass die Holzsplitter flogen.
    Er rang nach Luft und sah zu dem Mann, den Serafin zu Boden gestoßen hatte. Der Leitwolf warf Lex einen kurzen Blick zu, dann ließ er von dem Menschen ab und verließ mit zwei Sprüngen das Schweinegatter. Lex zögerte nicht, ihm zu folgen. Die Angst vor einem zweiten Schuss ließ ihn den schmerzenden Vorderlauf vergessen. Sein Herz raste, als er Serafin durch die verwinkelten Dorfgassen folgte, an deren Ecken spitze Felsen aus dem Boden ragten.
    Lichter flammten in den Häusern auf, Fenster wurden aufgerissen. An dem großen Platz vor dem Dorfausgang stieß Carras zu ihnen. Zu dritt hasteten sie davon. Hundegebell, Menschenstimmen und das grelle Läuten einer Glocke ertönten hinter ihnen, als sie, so schnell ihre Beine sie trugen, den steinernen Hang hinaufjagten, auf dessen höchstem Punkt der rettende Wald lag.
    Er würde nicht mehr lange mit den anderen mithalten können. Bei jedem Auftreten schwoll der Schmerz am Vorderlauf an. Doch er bremste nicht ab, denn er wusste, dass die anderen diesmal nicht auf ihn warten würden. So zwang er sich, weiterzulaufen.
    Wenn sie doch nur endlich den Wald erreichten! Erst jetzt nahm er das Haus am Berghang wahr. Stand dort nicht eine Gestalt in der Tür? Was war das wieder für eine Teufelei?
    Mit Entsetzen merkte er, dass sich Serafin entschlossen hatte, nicht am Haus vorbei, sondern direkt darauf zuzurasen. Carras folgte dem Anführer. Und auch Lex wagte es nicht, sich von der Gruppe zu trennen. Schmerzwellen überrollten ihn, als er hinter Serafin und Carras vor dem Haus zum Stehen kam. In der Tür stand ein dünnes Mädchen, blickte dem Leitwolf in die Augen – und lachte.
     
    *
     
    Fiona hatte in dieser Nacht noch keinen Schlaf gefunden. Was war nur los mit ihr? Unruhig warf sie sich von einer Seite auf die andere. Ihre zerzausten Haare rochen nach Zimt, das gerüschte Kleid nach getrockneten Teigresten.
    Nanna zuliebe hatte sie noch eine Kanne der für sie persönlich zusammengestellten Teemischung aufgebrüht. Die gute Alte hatte es wohl diesmal einfach zu gut gemeint und die belebende Wirkung eines Krautes überdosiert. Oder wollte sie der Vollmond zum Narren halten?
    Erschöpft und doch hellwach stieg Fiona die knarzende Treppe hinab, trat vor die schwere Eichentür und sog die kühle, beruhigende Nachtluft in tiefen Zügen ein. Es war so viel kälter, als sie erwartet hatte. Eng schlang sie die Arme um ihren Körper.
    Plötzlich nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und hob den Blick. Atemlos starrte sie in die klirrend kalte Vollmondnacht.
    Die drei Schatten, die sich eben erst vom Dorfrand gelöst hatten, jagten über die lang gestreckte, in fahles Licht getauchte Anhöhe auf sie zu. Irgendjemand im Dorf läutete die Sturmglocke. Klagende Klangfetzen und fernes Hundegebell drangen zu ihr herauf, während sich schemenhaft die Umrisse dreier vor Anstrengung dampfender Leiber von der mondbeschienenen Fläche abzeichneten.
    Die Wesen hatten inzwischen gut die Hälfte des steinigen Hangs hinter sich gelassen und würden sie in weniger als einer Minute erreichen. Mit rasendem Puls, aber unfähig, sich zu rühren, verharrte sie weithin sichtbar inmitten der geöffneten Tür.
    Langsam schloss sie die Augen. Überdeutlich vernahm sie das immer lauter werdende, keuchende Hecheln, das dumpfe Trommeln heranstürmender Pfoten.
    Sie riss die Augen
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