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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
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Sie kniete nieder, stellte vorsichtig das Licht ab und betrachtete ungläubig den Mann.
    Also doch!
    Behutsam und beinahe ehrfürchtig tastete sie nach seinem langen, schwarzen Haar. Es fühlte sich fest und geschmeidig an. Sacht strich sie darüber, bis zu den breiten knochigen Schultern, die sie nur einen Wimpernschlag lang berührte. Die Brust des Mannes hob und senkte sich. Vergebens lauschte sie auf seine Atemzüge. Er lag still, wirkte fast leblos. Hohe, kantige Wagenknochen, schwarze Brauen und auffällig dichte, dunkle Wimpern prägten sein Gesicht. Sie zuckte zurück, als er plötzlich im Schlaf die Lippen zusammenpresste. Mehrere Minuten verharrte sie reglos. Ihr Blick glitt über seinen Körper zur Hüfte, um die nachlässig eine Decke geschlungen war.
    Da! Ein Stöhnen! Sie fuhr auf und starrte angestrengt ins Dunkel. Der Lichtschein der Kerzen beleuchtete nur ihre unmittelbare Umgebung. Instinktiv löschte sie die Flammen. Jemand atmete schwer, dann trat erneut Stille ein. Fiona wagte nicht, sich zu bewegen. Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und die allmählich durch die vergitterten Fenster sickernde Morgendämmerung half ihr, die Umgebung deutlicher wahrzunehmen.
    Nahe dem großen dunklen Mann machte sie eine sehr viel kleinere Gestalt aus. Sie kroch zu ihr. Ein Kind, wie sie vermutete, lag auf der Seite und war von oben bis unten dick eingemummelt. Außer dem hellen Lockenschopf, unter dem eine Stupsnase hervorlugte, war nichts zu erkennen. Eine Weile lauschte sie den regelmäßigen, tiefen Atemzügen und musste lächeln. Einfach so.
    Vorsichtig durchquerte sie das Kellergewölbe, bis in die hinterste Ecke, wo sie auf einem zerwühlten Deckenlager einen weiteren männlichen Körper, halb auf dem Bauch liegend, entdeckte. Er war nackt. Sie wollte sich, einem ersten Impuls folgend, abwenden. Doch was konnte sie dafür, dass er sich freigestrampelt hatte?
    Dieser Mann war stämmiger als der große Schwarzhaarige und allem Anschein nach etwas jünger. Sein Kopf lag seitlich auf einem der angewinkelten, kräftigen Arme und Fiona bemerkte, dass seine kurzen braunen Haare schweißnass und dunkel an Nacken und Schläfen klebten. Sie seufzte. Das gestaltete sich alles viel schwieriger als vermutet.
    Sie war schließlich nicht aus oberflächlicher Neugier in den Keller hinabgestiegen. Nein. Sie war auf der Suche nach etwas Bestimmtem, etwas Besonderem. Statt der drei Wölfe, denen sie Unterschlupf gewährt hatte, lagen jetzt dort drei Menschen. Sie hatte genug über Zauberwesen gelesen, um zu ahnen, was das zu bedeuten hatte.
    Doch sie wollte mehr. Sie wollte beweisen, dass die Menschen, die hier lagen, doch nicht so menschlich waren, wie es den Anschein hatte.
    Aber wie? Nur die Ruhe. Denk nach.
    Sie hatte doch von dem Wolfszeichen gelesen, dem Kainsmal.
    Nur wo?
    Noch einmal tastete sie nach dem Fremden. Erst jetzt bemerkte sie den großen Flecken auf dem Laken unter seinem linken Arm.
    Sofort befühlte sie das Tuch und stellte fest, dass es an dieser Stelle ziemlich feucht war. Sie streckte ihre Fingerspitzen nach oben, roch daran und erschrak: Blut! Jetzt hielt sie nichts mehr zurück. Sie griff nach dem Ellenbogen, um ihn anzuheben, fühlte die fiebrige Hitze der Haut und …
    »Na warte, du Luder!« Mit einem einzigen Satz war der Mann, der eben noch vor ihr auf dem Boden gelegen hatte, aufgesprungen und hatte sie so fest am Kragen gepackt, dass es schmerzte.
    Fiona starrte keuchend in seine tiefbraunen, weit aufgerissenen Augen, die sie mit Wut und unverhohlener Verachtung durchbohrten.
    »Lass sie los!«, ertönte eine feste, tiefe Stimme aus dem Hintergrund. Das war der Schwarzhaarige.
    »Was? Loslassen? Hast du …?«
    Urplötzlich ließ er von ihr ab, kam ins Taumeln, und stützte sich keuchend gegen die Wand.
    »Lex, was ist? Was hast du?«
    Das Kind war aufgewacht.
    »Ist schon gut, Kleiner, ist gut …«, versuchte der Angesprochene, abzuwiegeln.
    »Schon gut …? Du bist verletzt … du brauchst Hilfe!«, mischte sich Fiona ein, als er sie wütend anstarrte und eilig seine Blöße mit dem blutverschmierten Tuch verdeckte.
    »Hilfe? Kein Bedarf!«, fuhr er sie an. »Und sicher nicht von einer, die hier reinschleicht, um mich … zu begrapschen!«
    Fiona wich einen Schritt zurück. Für einen Moment war sie sprachlos. »Nein, das habe ich ganz bestimmt nicht«, sagte sie zornbebend, aber mit lauter, fester Stimme. Mit hochrotem Kopf, mehr vor Wut als vor Scham,
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