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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
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geschehen?
    Sie spielte mit dem Gedanken, jemanden danach zu fragen, doch tiefe Erschöpfung lähmte ihre Zunge.
    Und morgen war auch noch ein Tag …
    Müde durchschritt sie ihren Kräutergarten – war hier jemand herumgestromert? –, entriegelte die Haustür und wollte sich in ihr Bett legen, als ein hektisches Klopfen an der Tür ertönte.
    »Herein!« Sie seufzte und warf dem dicken Kerl, der daraufhin ins Zimmer stampfte, einen strafenden Blick zu. »Was ist denn zu so früher Stun…«
    »Endlich bist du wieder da«, fiel der Mann ihr ins Wort und fuhr sich mit einem schmutzigen Tuch über die schweißnasse Stirn.
    Hermann, der Schweinehirt … Er hatte noch nie besonders gute Manieren gehabt.
    »Es ist furchtbar! Komm sofort mit! Er … er ist verletzt!«
    »Wer hat was für eine Verletzung?«
    »Eine Bisswunde! Mein Sohn – Emerald.«
    Nanna erhob sich schicksalsergeben. Ihr wohlverdienter Schlaf würde wohl noch eine Weile warten müssen. Emerald also. Über ihn sprach das ganze Dorf. Das sah dem Bengel ähnlich.
    »Nun gut, ich komme.« Mit schneller Hand suchte sie Verbandszeug, einen Mörser, ihr letztes getrocknetes Bündel Gnadenwurz und noch einige andere Kräuter und Tinkturen zusammen.
    »Eigentlich wollte ich mich ja an Doktor Feldmann vom Nachbarort wenden, aber der ist zu teuer …«, murmelte Hermann.
    »Gut zu wissen«, flüsterte Nanna und folgte dem aufgebrachten Mann zu seinem Grundstück.
    Auch hier trieben sich Dorfbewohner herum, vertieft in heftige Gespräche. Als sie Nanna kommen sahen, wandten sich ihr erneut eine Unzahl von misstrauischen Blicken zu. Sie achtete kaum darauf. Aus den Augenwinkeln nahm sie das zertrümmerte, nur notdürftig wiederaufgebaute Schweinegatter wahr. Hermann riss die Tür zu seiner Wohnung auf und schon von Weitem hörte Nanna den verletzten Jungen stöhnen. Er lag auf seinem Bett und hielt sich den linken Arm. Das Tuch, das seine neben ihm kniende Mutter auf die Wunde presste, war schon rotbraun verkrustet.
    »Na, Alte? Einen … Tanz gefällig?«, presste er mühsam hervor, als er Nanna bemerkte.
    Sie musste lächeln, stellte Kraut und Mörser auf ein Tischchen neben dem Bett, um nach dem verwundeten Arm zu sehen. Tatsächlich – eine Bisswunde. Vermutlich war der Flegel Hasso, dem Schäferhund, einmal zu oft auf den Schwanz getreten …
    »Du hast Glück gehabt, Junge. Es ist bloß eine Fleischwunde, der Knochen ist unversehrt.«
    »Kannst du ihm helfen?« Die Mutter seufzte. »Wir brauchen den Jungen im Stall.«
    Nanna nickte, gab etwas von dem getrockneten Gnadenwurz in den Mörser und machte sich daran, ihn zu zerkleinern.
    »Ein Wolf!«, riss Hermann sie aus ihren Gedanken. »Ein Wolf hat ihn angefallen. Genau genommen sogar zwei. Sie waren im Schweinegatter. Heute Nacht. Ich habe sie gesehen.«
    »Wölfe?« Beinahe wäre ihr der Stößel aus der Hand gerutscht.
    Der Dicke nickte eifrig. »Erwin hat mir erzählt, dass sich so ein Biest auch eine seiner Gänse geschnappt hat. Es waren wohl mindestens drei.«
    »Wölfe … gewöhnliche Wölfe?«, flüsterte Nanna, als sie den zerkleinerten Gnadenwurz , vermischt mit einer ihrer Salben, auf der Verletzung verteilte.
    Emerald schrie auf. »Willst du mich umbringen, Alte? Das … das brennt wie Feuer.«
    »Je stärker es brennt, desto besser«, erklärte sie ohne großes Mitleid. »Keine Angst. Gleich wird es besser«, setzte sie dann aber doch freundlicher hinzu.
    Bald wurde der Atem des Jungen ruhiger und der Schmerz schien nachzulassen.
    »Wann kann er wieder arbeiten?«, fragte der Vater.
    »Gebt ihm Zeit. Er kommt schnell auf die Beine. Ich lasse euch die Salbe hier«, murmelte Nanna in sich gekehrt, um Hermann plötzlich umso eindringlicher anzusehen. »Hör zu, diese Wölfe …« Sie zuckte zusammen, als der Junge urplötzlich nach ihrem Handgelenk griff.
    »Nanna!« Zum ersten Mal klang seine Stimme ängstlich. »Das … das waren keine einfachen Tiere! Viel zu groß. Und diese Augen …«
    »Nimm ihn nicht ernst.« Der Vater seufzte. »Es ist bloß eine seiner Geschichten.« Er wandte sich an Emerald. »Ja, du bist angegriffen worden. Kein Grund, zu winseln wie ein Mädchen!«
    Nanna schwieg. War es möglich, dass …? Mit einem Ruck beugte sie sich zu dem Jungen. »Das hast du dir nur eingebildet! Vergiss es! Es ist besser für dich, wenn du keinen Gedanken mehr daran verschwendest.« Abrupt löste sie sich von Emeralds Griff und eilte aus dem Haus. Sie musste nach dem Mädchen
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