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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
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rümpften, über alle Maßen.
    Sag Fiona, sie soll ihre Kobolde grüßen!
    Nanna sah hinauf zum Himmel. Noch war der Mond nicht aufgegangen. Das Forsthaus lag ohnehin auf dem Weg. Warum also nicht Fräulein Fiona einen kurzen Besuch abstatten ?
     
    *
     
    Freier Fall.
    Zwei fliegende Sekunden.
    Dann fand sich Fiona auf der harten Erde wieder. So ein Mist, so ein verdammter! Nur gut, dass Vaters Rüschenkleider aus so vielen Lagen bestanden …
    Missmutig rieb sie sich den Steiß, untersuchte, ob sie sich auch sonst nichts getan hatte, und dachte plötzlich wieder klar. Der Apfel!
    Da, hüpfend, kullernd, den Hügel hinunter. Dahinter Desiree, das Schwein!
    »Nein! Aus!« Fionas Herz raste, als sie die alte Heilerin den Hügel hinaufsteigen sah. »Nanna! Der Apfel! Der Apfel!«
     
    *
     
    Erst sah Nanna das dicke , borstige Etwas, das auf sie zuraste. Als Nächstes hörte sie Fiona irgendetwas rufen, sah das Fräulein unterm Apfelbaum liegen, der Stoff ihres weißen Kleids weit auf dem Boden ausgebreitet. Dann rollte ihr eine rote Kugel vor die Füße.
    Nanna griff instinktiv danach und glaubte im nächsten Moment, Desiree wollte sie umrennen. Doch das Schwein kam kaum einen Atemzug vor ihr zum Stehen, scharrte unruhig mit den Füßen und starrte sie mit verengten Augen an, so als wäre Desiree zutiefst beleidigt.
    Verblüfft blickte Nanna auf das rote Etwas, das sie der Sau streitig gemacht hatte. Ein Apfel …?
    Schon kam ihr das Mädchen entgegengerannt. »Du hast ihn? Nanna! Dich schickt der Himmel!«
    Nanna lächelte beruhigt. Der Sturz hatte dem Fräulein offensichtlich nichts getan. Sie reichte Fiona den Apfel. Mit einem erleichterten Seufzer nahm das Fräulein ihn in beide Hände wie einen seltenen Schatz. Fragend starrte Nanna sie an.
    Fiona sah sich offenbar in Erklärungsnöten. »Es ist … Der Apfel … also … Ach, komm einfach mit, ich zeig’s dir!« Eilig griff sie nach Nannas Hand und zu zweit liefen sie, gefolgt von Desiree, den Hang hinauf zum alten Forsthaus, dessen sonst so schwarze Fachwerkbalken rotbraun in der Abendsonne glänzten. Fiona stieß die Tür auf, und der Herbstwind jagte gierig durch den dunklen, schmalen Flur, blies durch die Seiten all der alten Bücher, die auf den Schränken und Kommoden verteilt lagen. Selbst auf den schwarzen Fliesen und den hölzernen Stufen hoch zum ersten Stock.
    Fiona rannte die gewundene Treppe empor und beugte sich über das hohe Geländer. »Komm mit, es liegt im Arbeitszimmer.«
    Nanna lachte und folgte dem Fräulein. Eines der Bücher also …
    Außer Fiona war im Dorf kein einziges Mädchen des Lesens und Schreibens mächtig, was ihr dort aber nicht etwa Bewunderung, sondern bestenfalls Kopfschütteln einbrachte. Ihr Vater hatte keine großen Pläne mit Fiona gehabt, als er damit begonnen hatte, ihr die Buchstaben zu erklären. Selbst unfähig zum Spielen, war ihm wohl allmählich klar geworden, dass er irgendetwas Sinnvolles mit diesem merkwürdigen Kind, das auch noch seines war, anstellen musste. So hatte er ihr schließlich Buchstaben aufgemalt und mit Überraschung festgestellt, wie schnell und begierig sie lernte. Als er sie verließ, hatte er sich bestimmt keine großen Gedanken darüber gemacht, was seine Tochter mit diesem Wissen nun anfangen könnte. Er war einfach gegangen. Hatte sie zurückgelassen mit all den Tintenteufeln, Wölfen und Vampiren, nach deren Welt sich Fiona offensichtlich von Tag zu Tag mehr sehnte.
    Nanna starrte auf die schwere schwarz lackierte Eichentür, die, gefolgt von zwei schmaleren Türen zu Fionas Schlafzimmer und einer kaum genutzten Abstellkammer, jedem, der den Flur zum ersten Stock betrat, sofort ins Auge fiel. Fiona hatte sie aufgeschlossen und trat beinahe ehrfurchtsvoll in das Zimmer ihres Vaters. Nanna folgte ihr.
    Ein Bett stand dort, ein Stuhl, ein Kleiderschrank und im Licht des Fensters ein massiver Schreibtisch, auf dem sich alte Briefe, Karten und wer weiß , was noch für Dokumente türmten. Darüber thronte ein hölzernes Regal, bis an den Rand gefüllt mit Büchern. Das alte Arbeitszimmer, das Fiona inzwischen ein wenig großspurig ihre Bibliothek nannte, wirkte, als würde der Kaufmann jede Sekunde geschäftig eintreten. Dabei war er schon so lange fort …
    Fiona stellte sich auf die Zehenspitzen, um eines der Bücher aus dem Regal zu ziehen. »Da ist es!«
    Ein Märchenbuch. Fiona blätterte in den Seiten, deren Ränder vergoldet waren wie die der alten Bibel unten in der
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