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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
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Dorfkapelle. Und wie ein Priester, der die Wahrheit in den Händen hält, präsentierte Fiona ihr nun triumphierend eine aufgeschlagene Seite. Nanna kniff die Augen zusammen. Gott, die waren auch schon mal besser gewesen … ›Von Baumgeistern‹ stand da verschnörkelt geschrieben. Mehr brauchte sie nicht zu wissen. »Soso … Es geht also wieder um den Kontakt zur Anderswelt?«
    Fiona nickte. »Man muss bloß einen Kuchen mit dem letzten Apfel des Baumes backen. Bei Vollmond stellt man ihn an die Türschwelle. Das sehen sie als Willkommensgruß. Dann treten sie ein. Steht hier drin! Mit Rezept und allem.« Sie schob ein buntes Lesezeichen zwischen die Zeilen, klappte das Buch zu und eilte durch den Flur die knarzende Treppe hinunter, den Folianten unter dem rechten Arm, in der linken Hand den rotbäckigen Apfel.
    Nanna folgte ihr langsam. Sie schmunzelte. »Ein neuer Versuch also. Was ist aus der Sache mit dem Elfenthron geworden?«
    Fiona seufzte. »Hab ihn nie gefunden …«
    »Der Steinkreis?«
    »Den hat der letzte Regen weggeschwemmt.«
    Ungeduldig wartete Desiree am unteren Ende der Treppe.
    »Und die Runen an deinem Türrahmen? In welcher Sprache waren die noch gleich?«
    »Gnomisch.« Fionas Hand fuhr über das hölzerne Geländer. »Aber lass uns nicht mehr davon reden. Diesmal klappt es!«
    Nanna folgte ihr in die Küche. In dem großen, schwarz-weiß gekachelten Raum, der die Hälfte des unteren Stockwerks ausmachte, stand ein mächtiger Eichentisch, an dem gut und gern zehn Erwachsene Platz gefunden hätten. Fiona hatte Schüsseln mit Butter, Mehl, Eiern und Gewürzen vorbereitet. In der Mitte stand ein kleines, kunstvoll verziertes Weidenkörbchen, in das sie feierlich – weit außerhalb von Desirees Reichweite – den rotbäckigen Apfel setzte. Kein Zweifel: Sie meint es ernst!
    Fiona bemerkte ihren skeptischen Blick. »Was hast du, Nanna? Du musst mich doch verstehen. Du glaubst doch auch an Geister!«
    »Nun ja …« Nanna schob sich eine ihrer langen Strähnen hinters Ohr. »Aber ob so ein Kuchen der Weisheit letzter Schluss ist … Ich könnte dir ein paar neue Märchenbücher besorgen. Zur weiteren … Recherche«, fügte sie zwinkernd hinzu.
    Mit einem Seufzer sank das Mädchen auf die Küchenbank. »Ach, nein! Ich kenne ja doch schon jedes. Ich weiß alles, Nanna. Alles! Ich weiß, wie Zauberer sich bekriegen, wen Vampire lieben und wie man Ringgeister fängt. Ich kann das nicht noch mal und noch mal lesen. Nicht mehr bloß lesen. Verstehst du? Das reicht mir nicht mehr.« Sie sagte es beinahe vorwurfsvoll.
    Diese Bücher hatten ihr im Grunde die Nase lang gemacht, um sie schließlich daran herumzuführen. Fiona fühlte sich offensichtlich betrogen.
    Nachdenklich sah Nanna das Fräulein an und stellte jene Frage, deren Antwort sie nur zu gut kannte. »Wenn du dich einsam fühlst, warum kommst du nicht zu uns ins Dorf?«
    »Ins Dorf«, rief Fiona empört, dann grinste sie. »Das sagst du ständig. Dabei kannst du die da unten selbst nicht leiden.«
    »Manchmal«, gab Nanna zu und dachte grimmig an den Sohn des Schweinehirten. »Trotzdem bist du zu lang allein gewesen. Sie mögen dich nicht, aber vielleicht, wenn sie dich erst verstehen …«
    »Ach! Ich bin es, die sie nicht versteht.« Fiona rang nach Luft. »Wie kann man leben, ohne an Götter und Geister zu glauben? Ohne zu hoffen oder zu träumen, dass das Leben … vielleicht … irgendwie … besonders sein kann? Für die gibt es nur ihr Dorf, nichts Neues, nichts Großes. Sie … sie sind …«
    »… anders als du?«, fragte Nanna und lächelte.
    »Eben nicht anders! Sondern in allem viel zu normal.« Fiona seufzte. Sie deutete auf das Märchenbuch, das Mehl, den Apfel. »Ich weiß selbst, dass es albern ist, aber einmal nur will ich jemandem begegnen, der anders ist. Anders, besonders, aufregend … Verstehst du, Nanna? Ich will, dass sich endlich etwas tut.«
    Nanna sagte kein Wort, krempelte nur stumm die Ärmel hoch. Mehl stäubte auf, Zimtwolken dufteten, als Fiona und sie ihre Hände in die hölzerne Schüssel steckten, kneteten, formten, und backten.
    Irgendwann aber musste Nanna das Haus verlassen, um im Wald ihre Kräuter zu schneiden, denn der Mond war strahlend aufgegangen.
     
    *
     
    Bei jedem Schritt, den Lex auf das Menschendorf zutat, spürte er, wie die Macht des Vollmonds seinen Körper erfüllte und die Sehnsucht nach wilder Jagd und unbändiger Freiheit mehrte. Er wusste, dass seine beiden Gefährten
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