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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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gänzlich verlassen. An dem mit Vorsetzen verstärkten Ufer waren Ruderboote und Schuten festgemacht, aber auch auf dem Wasser war jetzt niemand unterwegs. Doch, da waren plötzlich Menschen, zwei Gestalten, von denen ihr allerdings lieber gewesen wäre, sie wären nicht da. Zwei schmutzige Kerle, unter runden Hüten zottiges Haar, sie stanken nach Fusel und altem Dreck, nach den jauchigen Gängen hinter St. Jakobi. Nach Elend.
    Theda hatte eine mitfühlende Seele, aber diese beiden sahen aus, als ginge man ihnen besser aus dem Weg.
    «Na, Madamken, schöner Tag heute, was?», lispelte der Jüngere. «Gutes Geschäft gemacht, was? Das ham wir gesehen, unsereiner hat ja nichts zum Ausgeben, aber im Dom isses dieser Tage warm, da sind wir gern. Und wenn wir dann so ’ne nette junge Madam sehen, die viel zu viel Geld in die Finger kriegt – wird von Weibern nur verschwendet, weiß jeder. Da muss man doch helfen, was?»

    Sein älterer Kumpan lachte scheppernd, der Jüngere drückte ihm warnend den Ellbogen in die Seite und ließ seinen Blick eilig über die Fenster gleiten – niemand beachtete sie.
    «Mach schnell, Madamken, wir ham keine Zeit. Gib uns dein Silber, und alles ist gut. Wenn nich’, also ich weiß nich’, wär mir unangenehm, aber ich müsst’ mich überwinden und ’ner Dame was antun.» Die beiden waren nun ganz nah; anstatt sich auf dem Absatz umzudrehen und davonzulaufen, war Theda wie versteinert stehen geblieben, was wieder furchtbar dumm, aber nicht mehr zu ändern war. Der Ältere, der mit dem Scheppern in der Stimme, schob sich flink an ihr vorbei und schnitt den Fluchtweg ab. «Nu gib schon her! Isses im Muff?»
    Ein Knurren antwortete ihm, zugegeben ein zartes Knurren, kleine Tiere schaffen leider kein stärkeres, das Hündchen hatte sich todesmutig aus sicherer Deckung hinter Thedas Röcken hervorgewagt, von den Ohrbüscheln bis zu den Pfoten zitternd, bereit zur Verteidigung, was den Straßendieb ziemlich amüsierte.
    «Guck mal an, ’ne Ratte. Die kann man sicher auch verkaufen. Man kann alles verkaufen, sogar gescheckte Ratten.»
    Seine großen Hände schnappten zu, schon zappelte das Hündchen wie im Schraubstock vier Fuß über der Erde und schnappte aufjaulend nach Luft.
    Endlich spürte Theda heißen Zorn und wollte sich ganz und gar unvernünftig in den Kampf um den kleinen Hund werfen, bevor der Kerl ihm alle Rippen brach. Da fühlte sie sich rasch und entschieden beiseitegeschoben, glücklicherweise zur Häuserseite, sonst wäre sie im Wasser gelandet.
    «Verschwinde, mein Freund!» Die Stimme des Mannes klang ruhig, jedoch auf diese Weise, die keinen Zweifel lässt, dass das sich änderte, wenn man die Aufforderung ignorierte. «Dein Kumpan ist schlau, der ist schon weg. Wirklich, es ist viel gesünder für dich, wenn du auch verschwindest. Und zwar ohne den Hund. Hörst du? Setz den Hund auf die Erde und hau einfach ab.»
    Die letzten Worte klangen gar nicht mehr ruhig, nicht einmal beherrscht. Thea sah einen hochgewachsenen Mann, das ungepuderte, dunkelblonde Haar im Nacken nur locker gefasst. Er stand zwischen ihr und dem Dieb und zog seinen Degen, er sah nach einem bescheidenen Galanteriedegen aus, aber auch der hatte eine Klinge. Der Dieb gab gleich auf und drehte sich um, Theda hörte ein böses Lachen, und dann flog das Hündchen im hohen Bogen in das eiskalte Fleet.

      
    m Ende ihres Ausflugs in die Domkirche hatte Madam Augusta schrecklich kalte Füße gehabt und sich nach einer heißen Schokolade gesehnt, die niemand so gut zu kochen verstand wie die Köchin im Herrmanns’schen Haus. Endlich im kleinen Salon in ihrem liebsten, ganz nah an den großen weißen Kachelofen gerückten Sessel und nach der zweiten Tasse Schokolade fragte sie sich, warum sie nicht gleich eine Entscheidung getroffen hatte. Diese Zauderei war sonst nicht ihre Art. Andererseits war das eine Entscheidung, die lange nachwirkte, also gut überlegt sein wollte. Oder nicht?
    Sie hatte ja schon gewusst, was sie sich wünschte. Morgen, entschied sie, morgen. Sie gönnte sich wie immer in unruhigen Momenten ein Schlückchen ihres berüchtigten Rosmarinbranntweins und überlegte, wann sie am nächsten Tag Zeit finden könnte, noch einmal mit Theda zu sprechen. Es war immerhin der Tag, der in den Heiligen Abend mündete, voller Familienrituale und Geheimnisse, immer wieder durchbrochen von Momenten plötzlicher Hektik bei den Vorbereitungen für die folgenden feierlichen Tage.
    Erst beim Frühstück
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