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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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an der Außenalster mochte eine solche exotische Frucht gedeihen.
    Der Markt füllte sich nun rasch. Zwischen den Reihen der Stände war gerade Platz für zwei nebeneinander flanierende Menschen, so kostete es einige Mühe, bis zur Malthus’schen Bude fast am Ende des Schappendoms vorzudringen. Er war weniger umlagert als die benachbarten Stände mit allem möglichen Trödel und Spielzeug, festlichem Zierrat und Zuckerwerk, nur zwei Frauen standen davor und ließen sich von Malthus’ neuem Samenhändler den Inhalt seiner Tüten erläutern. Augusta hatte schon gehört, er sei ein einarmiger, aber gescheiter junger Bauer.
    «Tagetes», sagte eine der beiden Frauen, als Augusta an den Stand trat, «ja, ein Tütchen Tagetes für den Rand des Gemüsegartens, das vertreibt auch die Blattläuse. Und für den vorderen Garten? Rote oder rot gepunktete Kapuzinerkresse? Sie hat keine rotblühende, nur gelbe. Oder doch Wicken? Was denkst du, Elsi?»
    «Wenn Ihr erlaubt», der junge Mann hinter dem Stand beugte sich ein wenig vor und schob ein weiteres Tütchen in die Mitte des Tisches. «Wicken gibt es auch mit weißen Blüten, nicht nur wie früher in Rosa. Wenn Wicken einen guten Zaun haben, an dem sie ranken können, widerstehen sie trotz ihrer Zartheit dem Wind. Und es ist leicht, ihren Samen zu ernten. Er steckt in Schoten, wie bei Erbsen. Sie sind nämlich miteinander verwandt, die Wicken und die Erbsen. Für Rabatten eignet sich die Schleifenblume, besonders die weißblühende …»
    «Mamsell Theda!» Natürlich war es äußerst unhöflich, mitten in ein Gespräch zu platzen, das fand Madam Augusta selbst, auch in eines, das nur dem Kauf von Blumensamen diente. «Theda? Ihr seid es doch, nicht wahr? Entschuldigt, wenn ich Euer Gespräch so unterbreche – ich war ganz sicher, Madam Zoller und Ihr wärt längst abgereist und über die Elbe. Was ist geschehen? Sie ist doch nicht krank?»
    Theda war herumgefahren und blickte erschreckt in ein bekanntes Gesicht. «Oh, Madam Augusta. Nein, sie ist ganz wohl.» Theda spürte Hitze in ihren Wangen. «Ja, ich meine, nein, Madam ist nicht krank. Jedenfalls hoffe ich das, sie war gesund, als sie abreiste. Nur ein wenig traurig. Der Abschied fiel ihr schwer. Ja, traurig war sie wohl. Aber auf der Durchreise verbringen sie und ihr Sohn die Feiertage bei ihrer Tochter in Bremen.»
    Madam Augusta nickte nachdenklich. «Genau so hat sie es bei unserem Abschied erzählt. Aber wieso seid Ihr dann noch hier? Ach, ich verstehe, es gab noch zu tun, die Wohnung zu räumen, diese vertrackten Schnitzereien an den uralten Schränken der Zollerin. Wirklich schöne Möbel, leider unpraktisch.» Sie stutzte und blickte Theda irritiert an. «Aber Ihr könnt doch nicht allein nach Antwerpen reisen. Und wieso –? Ich habe gehört, der neue Mieter sei schon eingezogen, jemand aus Göttingen, er wird Lehrer an Büschs Handelsakademie. Seid Ihr etwa jetzt bei ihm im Dienst?» Als Theda sichtlich verlegen den Kopf senkte, fuhr sie fort: «Ich will nicht neugierig sein, meine Liebe», sie zögerte erneut, legte den Zeigefinger ans Kinn und sah ihr Gegenüber forschend an, «aber genau das bin ich, Mamsell Theda, leider, ja, sehr neugierig.»
    Theda fühlte Schweißtröpfchen auf ihrer Oberlippe. Nun war es endlich geschehen. Nun kam endgültig heraus, dass sie sich frech und wie ein Pirat in fremdem Besitz eingenistet hatte.
    Aber Madam Augusta blickte freundlich. «War die gute alte Zollerin etwa so dumm, Euch zurückzulassen?», fragte sie. «Ihr seid doch kein Möbelstück, das man mit einer Wohnung weitervermietet.»
    Theda hob den Blick. Da war Anteilnahme in der Stimme der reichen alten Dame, das Letzte, was sie erwartet hatte.
    «Ich kenne den neuen Mieter nicht», sagte sie tapfer, weil die Wahrheit manchmal den einzigen Weg weist. «Madam konnte mich nicht mitnehmen, ihr Sohn hat gesagt, ich werde in Antwerpen nicht gebraucht, er hat genug Dienstboten. Ich sollte aber bis zu deren Rückkehr auf die Wohnung von verreisten Freunden Madam Zollers achtgeben. Deshalb», ihre Stimme wurde matt, «deshalb wohne ich noch ein paar Tage dort. In der Mädchenkammer hinter der Küche», versicherte sie, «nicht in den Wohnräumen, das würde ich mir nie erlauben.»
    «Natürlich nicht.» Augusta kannte Theda als guten dienstbaren Geist der Zollerin, anderes hätte sie nicht angenommen. «Die Leute können froh sein. Im Winter wird besonders gerne eingebrochen, wenn eine Etage unbewohnt scheint. Wie lange
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