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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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hatte, den Lukasaltar in der Marienkapelle hinter dem Turm anzusehen. Der alte Maler, der im Kreuzgang nahe bei den auch ihm ein bisschen Wärme spendenden Wurstrosten mit seinem Rötelstift Kinderbilder zeichnete, hatte erzählt, es sei kein großer, aber ganz besonders kunstreicher Altar. Außen seien die beiden Flügel nur bemalt – allerdings wunderbar. Geöffnet sehe man in einer großen geschnitzten Szene vor einer Reihe von Kirchenvätern Lukas, wie er an der Staffelei sitze und die Madonna mit dem Kind male. Sie möge ihn übrigens bald ansehen, nicht nur weil Lukas der Schutzpatron der Maler sei, nein, es gebe Gerüchte, man wolle den Altar verkaufen. Andere besagten sogar, der ganze Dom werde bald abgerissen, dann sei es aus mit der alten Kunst. Die möge ja heutzutage keiner mehr, man werde die Altäre, Statuen und Gemälde wer weiß wohin verschleudern oder gleich zum Unrat werfen. Es sei eine Schande. Dann verstehe man endlich, warum an einer der Wände dieser Domkirche ein großer, Dudelsack spielender Esel abgebildet sei.
    Ein andermal, dachte Theda und vergaß, dass ihre Tage in dieser Stadt gezählt waren. Nun wollte sie dem Gedränge entkommen, sie brauchte frische Luft und den weiten Blick.
    «Komm, mein Hündchen.» Sie blickte auffordernd zu ihm hinunter, es sah vergnügt aus, und da fühlte auch sie eine Prise Übermut. Gegen alle Vernunft, von Schicklichkeit nicht zu reden, bewegten sich ihre Füße von allein, liefen und hüpften durch die nur unwillig Platz machenden Menschen. Erst als sie das Portal passiert hatte und ihr die Dezemberluft ernüchternd entgegenschlug, blieb sie stehen. Und schämte sich. Nur gut, dass sie die Stadt verlassen musste, denn spräche sich herum, Theda Harling, ehemals Mamsell der Madam Zoller, habe sich auf einem öffentlichen Markt benommen wie ein wildes Kind oder – viel schlimmer noch – eine Betrunkene, dann wäre ohnedies jede Aussicht auf eine neue Stellung verspielt.
    Sie hatte das Gefühl, alle Welt starre sie an. Es war Nachmittag, die schmalen Straßen um die Domkirche waren belebt, aber niemand beachtete sie. Nur das Hündchen zu ihren Füßen sah anklagend zu ihr auf und gab wieder seine seltsamen kleinen Laute von sich. Es klang auffordernd, und so machte Theda sich auf den Weg. Doch nicht auf dem kürzesten zurück zur Mattentwiete, der Tag war ja noch lang.
    Sie ging rasch, denn es war kalt, und im großen Bogen zum Fluss hinunter, in die Nähe des Hafens. Sie lief durch enge Gassen und über Brücken, passierte den Messberg, der keiner war, sondern nur ein Platz im Südosten der Stadt kurz vor dem Deichtor, hinter dem im Holzhafen Tausende die Elbe abwärtsgeflößte Stämme lagerten. Sie passierte wieder eine Brücke, eine besonders düstere Twiete und fand sich auf einem schmalen Stück Weg entlang eines Fleets zwischen hoch aufragenden, zumeist in alter Fachwerkmanier gebauter Häuser und Speicher und dem glucksenden Wasser wieder, nach kaum mehr als dreißig Schritten ging es in den nächsten engen Gang und wieder vom Fleet weg. Theda war nie zuvor hier gewesen, wahrscheinlich war sie auf eine der Brookstraßen auf der Wandrahminsel geraten. Wenn sie der weiter nach Westen folgte, wo wolkenverhangen eine bleiche Sonne unterging, und ein oder zwei Brücken passierte, erreichte sie schnell die Mattentwiete und die Reimann’sche Wohnung und – wenn sie es wollte – den Binnenhafen und das Baumhaus mit seinen feinen Restaurants, dem Fähranleger und dem Zollhaus. Von dort sah man zwischen den Masten großer, über das Meer in die ganze Welt fahrender Schiffe weit in den Fluss hinaus.
    Im Hafen lagen kaum noch fremde Großsegler, jeden Tag war nun mit großer Kälte zu rechnen, die den Fluss im Eis erstarren ließ und die Schiffe einschloss, festhielt und an ihren Rümpfen nagte. Fast alle, die hier festgemacht waren, würden den Winter über bleiben. An den Ufern der Inseln und am Hamburger Berg vor Altona lagen schon etliche, gestrandeten Walen gleich, an Land, um für das kommende Frühjahr neu kalfatert und auch sonst ausgebessert und repariert zu werden.
    Näher am Hafen waren dann wieder viele Menschen, hier hingegen, so stellte sie mit Unbehagen fest, war niemand. Hinter den Fenstern und Türen natürlich, auf den vielen Böden der Speicher, sie hörte auch Arbeitslärm aus einer Werkstatt, aber dieser von keinem noch so niedrigen Mäuerchen oder Geländer begrenzte, keine zehn Fuß breite Streifen entlang des schwarzen Wassers lag
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