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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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Kellen in den Kesseln die letzten Suppenportionen zusammenkratzen. Die Glut der Feuerstellen war zugedeckt, noch ein oder zwei Stunden und die Händler löschten die Reste. Der griesgrämige Kirchendiener und mehrere Doppelpatrouillen von Soldaten hatten nun ihre Augen überall, damit nicht jetzt noch ein Feuer ausbrach, Unrat liegen blieb (was natürlich trotzdem geschah) oder jemand etwas mitnahm, das dem Domkapitel gehörte. Man wusste ja, wie diese Marktleute waren.
    Gleichwohl herrschte eine schöne Stimmung. Viel Arbeit war fast geschafft, auch gut dabei verdient, schöne Tage standen bevor, bald auch ein neues Jahr. Wie jedes Mal am Ende des Weihnachtsmarktes nahm Schaffer einige Markstücke aus seiner Kasse und steckte sie in seine Westentasche. Es war verboten, trotzdem würden sich die Bettler vor die Domtüren hocken und wie alle Jahre an diesem Tag von den Soldaten übersehen werden. Bevor er auf seinen bepackten Wagen stieg, verteilte Trödler Schaffer ein bisschen Geld an sie. Großzügig bemessen, wegen Weihnachten und als Dank an höhere Mächte, weil ihm und seiner Tochter dieses Schicksal erspart geblieben war. Als Abbitte für seine Sünden? Das konnte auch nie schaden.
    Er rückte den abgeräumten Tisch ein paar Zoll zur Seite, als Mieke, die Buchbinderin, mit zwei Hockern kam, Servatius, der Knopfmacher, hatte gewiss schon eingepackt und würde gleich seine Bank bringen, Henner und Mette aus dem Hof den Rest ihrer Würste und den – hoffentlich – noch größeren Rest in ihrem Punschkessel. Weihnachten war ein heiliges Fest und ein Fest der Familie, die schönste Stunde war aber diese hier, wenn der Markt zu Ende ging, die Posaunenbläser schon ziemlich schräg die letzten Choräle bliesen und ein paar alte Freunde mit dem, was noch aufzuessen und leer zu trinken war, zusammensaßen. Eigentlich, dachte Schaffer und stellte drei Kerzenleuchter auf den Tisch, waren für einen, der nur eine Tochter hatte, diese Leute hier die Familie. Der Gedanke gefiel ihm.
    Anders Gödeke, Malthus’ junger Samenverkäufer, hatte beim Abbau seiner Bude Hilfe bekommen. Er schien es nicht eilig zu haben. Während ein Malthus’scher Arbeiter und der Junge, der ihm schon während aller Markttage geholfen hatte, die Bude abbauten, sortierte Anders seelenruhig die Reste seiner Tütchen, verstaute so umständlich wie sorgfältig die noch gefüllten größeren Behältnisse in Körben, als bereite er sie für eine Reise über ferne Ozeane vor. Schaffer blickte stirnrunzelnd zu ihm hinüber. Sah eigentlich ganz manierlich aus, der Junge. Auf alle Fälle schlau. Wenn Malthus ihn eingestellt hatte, musste irgendwas an ihm dran sein. Andererseits – einarmig blieb einarmig.
    «Schau mal, Vater, wen ich im Hof entdeckt habe. Ich hab sie eingeladen, mit uns den letzten Punsch zu trinken. Aniskringel hab ich auch gekauft, die letzten, Elwa sagt, in diesem Jahr will alle Welt nur Aniskringel. Setz dich, Theda, gleich kommen die anderen, und dann fängt Weihnachten an.»
    In diesem Moment setzten die Posaunenbläser ein, sie hatten ein Gutteil ihrer heutigen Einnahmen für Punsch ausgegeben (aus dem Kessel mit dem Arrak), erst bei der zweiten Strophe war Thedas Lieblingsweihnachtslied zu erkennen: «Es kommt ein Schiff geladen bis an sein’ höchsten Bord …» Es war ein sehr altes Lied und trotz der Weihnachtsbotschaft voller Melancholie, hin und wieder wurden ihre Augen feucht, wenn sie es sang. Heute nicht. Heute war sie heiter, wenn sie auch nicht recht wusste, warum. Sie hatte das Weihnachtsfest niemals zuvor allein verbracht, ihre Zeit in Freiheit lief bald ab, mit jedem Tag schneller, obwohl sie sich mit jedem Tag mehr daran gewöhnt hatte, ihre Zukunft war trübe – aber sie war heiter. Es waren verwirrende, beängstigende, zugleich wunderbare Stunden und Tage gewesen. Und sie waren ja noch nicht vorbei. Noch nicht.
    Hocker und Bank um den Tisch waren schnell besetzt. Der Knopfmacher kam als Letzter, er schenkte Elsi zwei hellblaue Glasknöpfe, bevor seine Frau kam, um ihn – auch das wie alle Jahre – mit dem Bollerwagen abzuholen. Es war vorgekommen, dass Servatius selbst den Platz darin brauchte, diesmal wollte er nüchtern bleiben, jedenfalls halbwegs, der Bollerwagen konnte seine Knopfkästen und anderen Utensilien aufnehmen. Die Buchbinderin – Elsie war nicht gut auf sie zu sprechen –, ihr Mann und der Lehrjunge waren auch da, die Hände noch dunkel vom Leim.
    Der Punsch wurde verteilt, ein Teller mit
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