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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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»Ich könnte mich nämlich unter dem Namen Schulze beteiligt haben.«
    »Auch das ist möglich«, gab Frau Kunkel zu. »Da kann man leicht gewinnen! Wenn man der Chef ist!« Sie wurde nachdenklich und schließlich streng. »Dann konnten Ihnen Ihre Direktoren aber den ersten Preis geben.«
    »Kunkel, man sollte Sie mit dem Luftgewehr erschießen«, rief Hilde.
    »Und dann mit Majoran und Äpfeln füllen«, ergänzte Johann.
    »Das habe ich nicht verdient«, sagte die dicke alte Dame mit tränenerstickter Stimme.
    Johann ließ den Mut noch nicht sinken. »Die Direktoren gaben doch den Preis einem ihnen vollkommen fremden Menschen!«
    »Ich denke, dem Herrn Geheimrat!«
    »Das wußten sie doch aber nicht!« rief Hilde ärgerlich.
    »Schöne Direktoren sind das«, meinte Frau Kunkel. »So etwas nicht zu wissen! Ha!« Sie schlug sich aufs Knie.
    »Schluß der Debatte!« rief der Geheimrat. »Sonst klettre ich auf die Gardinenstange.«
    »Da haben Sie’s«, sagte die Kunkel zu Johann. »Den armen Herrn Geheimrat so zu quälen!« Johann verschluckte vor Wut eine größere Menge Zigarrenrauch und hustete. Frau Kunkel lächelte schadenfroh.
    »Worin besteht denn dieser zweite Preis?« fragte Hilde.
    Johann gab hustend Auskunft. »Zehn Tage Aufenthalt im Grandhotel Bruckbeuren. Hin-und Rückfahrt 2. Klasse.«
    »Ich ahne Fürchterliches«, sagte Hilde. »Du willst als Schulze auftreten.«
    Der Geheimrat rieb sich die Hände. »Erraten! Ich reise diesmal nicht als Millionär Tobler, sondern als ein armer Teufel namens Schulze.
    Endlich einmal etwas anderes. Endlich einmal ohne den üblichen Zinnober.« Er war begeistert. »Ich habe ja fast vergessen, wie die Menschen in Wirklichkeit sind. Ich will das Glashaus demolieren, in dem ich sitze.«
    »Das kann ins Auge gehen«, meinte Johann.
    »Wann fährst du?« fragte Hilde.
    »In fünf Tagen. Morgen beginne ich mit den Einkäufen. Ein paar billige Hemden. Ein paar gelötete Schlipse. Einen Anzug von der Stange. Fertig ist der Lack!«
    »Falls sie dich als Landstreicher ins Spritzenhaus sperren, vergiß nicht zu depeschieren«, bat die Tochter.
    Der Geheimrat schüttelte den Kopf. »Keine Bange, mein Kind.
    Johann fährt ja mit. Er wird die zehn Tage im gleichen Hotel verleben. Wir werden einander allerdings nicht kennen und kein einziges Wort wechseln. Aber er wird jederzeit in meiner Nähe sein.«
    Johann saß niedergeschlagen auf seinem Stuhl.
    »Morgen lassen wir Ihnen bei meinem Schneider mehrere Anzüge anmessen. Sie werden wie ein pensionierter Großherzog aussehen.«
    »Wozu?« fragte Johann. »Ich habe noch nie etwas anderes sein wollen als Ihr Diener.«
    Der Geheimrat erhob sich. »Wollen Sie lieber hierbleiben?«
    »Aber nein«, erwiderte Johann. »Wenn Sie es wünschen, reise ich als Großherzog.«
    »Sie reisen als wohlhabender Privatmann«, entschied Tobler.
    »Warum soll es immer nur mir gutgehen! Sie werden zehn Tage lang reich sein.«
    »Ich wüßte nicht, was ich lieber täte«, sagte Johann tieftraurig. »Und ich darf Sie während der ganzen Zeit nicht ansprechen?«
    »Unter gar keinen Umständen. Mit einem so armen Mann wie mir haben Herrschaften aus Ihren Kreisen nichts zu schaffen. Statt dessen dürfen Sie sich aber mit Baronen und internationalen Sportgrößen unterhalten. Richtig, eine Skiausrüstung werden Sie übrigens auch brauchen!«
    »Ich kann nicht Skifahren«, entgegnete der Diener.
    »Dann werden Sie es lernen.«
    Johann sank in sich zusammen. »Darf ich wenigstens manchmal in Ihr Zimmer kommen und aufräumen?«
    »Nein.«
    »Ich werde bestimmt nur kommen, wenn niemand auf dem Korridor ist.«
    »Vielleicht«, sagte der Geheimrat.
    Johann blühte wieder auf.
    »Ich bin sprachlos«, sagte die Kunkel.
    »Wirklich?« fragte Hilde. »Im Ernst?«
    Tobler winkte ab. »Leere Versprechungen!«
    »Über fünfzehn Jahre bin ich in diesem Hause«, sagte die Kunkel.
    »Und es war dauernd etwas los. Der Herr Geheimrat hat immer schon zuviel Phantasie und zuviel Zeit gehabt. Aber so etwas ist mir denn doch noch nicht passiert! Herr Geheimrat, Sie sind das älteste Kind, das ich kenne. Es geht mich nichts an. Aber es regt mich auf.
    Dabei hat mir der Doktor jede Aufregung verboten. Was hat es für Sinn, wenn Sie mich ein Jahr ums andere ins Herzbad schicken, und kaum bin ich zurück, fängt das Theater von vorne an? Ich habe jetzt mindestens hundertzwanzig Pulsschläge in der Sekunde. Und der Blutdruck steigt mir bis in den Kopf. Das hält kein Pferd aus. Wenn
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