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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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besichtigt hatten, kehrten wir nach Berlin zurück. Die Kunsthistorikerin Elfriede stand am Anhalter Bahnhof und stellte uns ihren neuen Bräutigam vor.
    Robert war erschüttert. Der Zahnarzt sagte, er sei ihm eine Revanche schuldig, und lud uns zu einem Umtrunk ein. Seine Braut schickte er nach Hause. Das Weib gehöre an den Herd, meinte er streng.
    Elfriede sagte einiges über den Stilwandel in der Ehe und über die zyklische Polarität. Dann erklomm sie den Autobus. Und das war die Hauptsache. Wenn eine Frau gehorcht, darf sie sogar gebildet sein.
    Wir drei Männer stiegen in eine unterirdische Weinkneipe, und nach vier Stunden hatten wir zahlreiche Zacken in der Krone. Ich weiß nur noch, daß wir dem Zahnarzt versprachen, zu seiner Hochzeit Blumen zu streuen. Da begann er laut zu weinen.
    Später heulte auch Robert. »Ich muß ein Lustspiel schreiben«, stammelte er. »Und der Dentist heiratet Elfriede und hat nicht einmal den Bamberger Reiter gesehen.«
    »Du bist eben ein Glückspilz«, sagte der Zahnarzt schlagfertig. Und dann brachten wir Robert nach Hause. Ich legte ihm Papier und Bleistift zurecht, damit er am nächsten Morgen unverzüglich mit dem Theaterstück beginnen könne. »Sublimiere den Schmerz, o Robert, und dichte!« schrieb ich auf einen Zettel. Nichts weiter. Wir Künstler sind kalte, hartherzige Naturen.
    Seitdem ging die Zeit ins Land. Der Zahnarzt hat Elfriede geheiratet.
    Robert hat das Stück geschrieben. Und ich den Roman.
    Gern hätten wir dem Herrn mit den Gallensteinen unsere Werke gewidmet. Denn ihm verdanken wir ja den Stoff. Aber wir vergaßen damals in der Eisenbahn, nach seinem Namen zu fragen. Deshalb: Sehr geehrter Herr! Sollten Sie Roberts Stück sehen oder dieses Buch lesen, so erinnern Sie sich unser, bitte, nicht ohne Wohlwollen! Und wenn Sie wieder einmal einen hübschen Stoff wissen, schreiben Sie uns ganz einfach eine Karte! Ja?
    Eigne Einfälle sind so selten. Wir kommen ins Haus.
    NB. Das Porto würden wir Ihnen selbstverständlich rückvergüten.

Das erste Kapitel - Dienstboten unter sich und untereinander
    »Machen Sie nicht so viel Krach!« sagte Frau Kunkel, die Hausdame. »Sie sollen kein Konzert geben, sondern den Tisch decken.«
    Isolde, das neue Dienstmädchen, lächelte fein. Frau Kunkels Taftkleid knisterte. Sie schritt die Front ab. Sie schob einen Teller zurecht und zupfte an einem Löffel.
    »Gestern gab es Nudeln mit Rindfleisch«, bemerkte Isolde melancholisch. »Heute weiße Bohnen mit Würstchen. Ein Millionär sollte eigentlich einen eleganteren Appetit haben.«
    »Der Herr Geheimrat ißt, was ihm schmeckt«, sagte Frau Kunkel nach reiflicher Überlegung. Das neue Dienstmädchen verteilte die Mundtücher, kniff ein Auge zu, das getroffene Arrangement zu überprüfen, und wollte sich entfernen.
    »Einen Augenblick noch!« meinte Frau Kunkel. »Mein Vater, Gott hab ihn selig, pflegte zu sagen: ›Auch wer morgens dreißig Schweine kauft, kann mittags nur ein Kotelett essen.‹ Merken Sie sich das für Ihren ferneren Lebensweg! Ich glaube kaum, daß Sie sehr lange bei uns bleiben werden.«
    »Wenn zwei Personen dasselbe denken, darf man sich etwas wünschen«, sagte Isolde verträumt. »Ich bin keine Person!« rief die Hausdame. Das Taftkleid zitterte.
    Dann knallte die Tür.
    Frau Kunkel zuckte zusammen und war allein. – Was mochte sich Isolde gewünscht haben? Es war nicht auszudenken!
    Das Gebäude, von dessen Speisezimmer soeben die Rede war, liegt an jener alten, ehrwürdigen Allee, die von Halensee nach Hundekehle führt. Jedem, der die Straße auch nur einigermaßen kennt, wird die Villa aufgefallen sein. Nicht weil sie noch größer wäre, noch feuervergoldeter und schwungvoller als die anderen. Sie fällt dadurch auf, daß man sie überhaupt nicht sieht. Man blickt durch das zweihundert Meter lange Schmiedegitter in einen verschneiten Wald, der jegliche Aussage verweigert. Wenn man vor dem von ergrauten Steinsäulen flankierten Tore steht, sieht man den breiten Fahrweg und dort, wo er nach rechts abbiegt, ein schmuckloses, freundliches Gebäude: das Gesindehaus. Hier wohnen die Dienstmädchen, die Köchin, der Chauffeur und die Gärtnersleute. Die Villa selber, die toten Tennisplätze, der erfrorene Teich, die wohltemperierten Treibhäuser, die unterm Schnee schlafenden Gärten und Wiesen bleiben unsichtbar.
    An der einen grauen Säule, rechts vom Torgitter, entdeckt man ein kleines Namensschild. Man tritt näher und liest: Tobler.
    Tobler?
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