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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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Trauring um«, bemerkte er zurechtweisend.
    Die Jungen lachten. »Mensch, der nimmt uns auf die Rolle«, meinte der Größere.
    »So was dürfen Sie mit uns nicht machen«, sagte der Kleinere vorwurfsvoll. »Mein Vater hat ihn auch in der Westentasche.«
    Als der Herr aus dem Postamt trat, stieg der Chauffeur rasch aus und öffnete den Schlag. »So ’ne Bengels können einen alten Mann glatt ins Krankenhaus bringen«, sagte er verstört.
    Herr Schulze musterte die Knirpse. »Sollen wir euch einmal ums Viereck fahren?«
    Sie nickten und schwiegen.
    »Na, dann rin in die gute Stube!« rief er.
    Sie kletterten stumm in den Fond.
    Die Fahrt ging los. »Dort kommt Arthur!« sagte der Große. Der Kleine klopfte an die Scheibe. Beide winkten stolz. Arthur blieb stehen, blickte den Kameraden verständnislos nach und winkte erst, als das Auto um die Ecke gebogen war.
    »Wieviel Kilometer ist Ihr Wagen schon gefahren?« fragte der Kleinere.
    »Keine Ahnung«, sagte Herr Schulze. »Gehört er Ihnen denn nicht?« fragte der Größere. »Doch, doch.«
    »Hat ’n Auto und weiß nicht, wieviel Kilometer es gelaufen ist!« meinte der Größere kopfschüttelnd. Der Kleine sagte nur:
    »Allerhand.«
    Herr Schulze zog das Schiebefenster auf. »Brandes, wieviel Kilometer ist der Wagen gefahren?«
    »60.350 Kilometer!«
    »Dabei sieht er noch wie fabrikneu aus«, meinte der kleine Junge fachmännisch. »Wenn ich groß bin, kauf ich mir genau denselben.«
    »Du wirst niemals groß«, bemerkte der andere. »Du wächst nicht mehr.«
    »Ich werde so groß wie mein Onkel Gotthold. Der geht nicht durch die Tür.«
    »So siehst du aus! Du bleibst ’n Zwerg.«
    »Ruhe!« sagte Herr Schulze. »Brandes, halten Sie mal!« Der Herr ging mit den zwei Jungen in ein Schokoladengeschäft. Sie durften sich etwas aussuchen. – Der Kleinere bekam Marzipanbruch, der Größere Drops mit Fruchtgeschmack. Und für sich selber kaufte Herr Schulze eine Rolle Lakritzen. Die Verkäuferin rümpfte die Nase. Dann transportierte Brandes die kleine Gesellschaft in die Lietzenburger Straße zurück. Die beiden Jungen dankten für alles Gebotene, stiegen aus und machten tiefe Verbeugungen.
    »Kommen Sie hier öfter vorbei?« fragte der Größere. »Da würden wir nämlich jeden Tag aufpassen«, sagte der Kleinere.
    »Das fehlte noch«, brummte Brandes, der Chauffeur, und gab Gas.
    Die zwei Jungen sahen dem Wagen lange nach. Dann griffen sie in ihre Zuckertüten. »Ein feiner Kerl«, sagte der Kleinere, »aber von Autos hat er keinen Schimmer.«
    Das Essen hatte geschmeckt. Isolde, das neue Dienstmädchen, hatte abgeräumt, ohne Frau Kunkel eines Blickes zu würdigen. Johann, der Diener, brachte Zigarren und gab dem Herrn des Hauses Feuer.
    Fräulein Hilde, Toblers Tochter, stellte Mokkatassen auf den Tisch.
    Die Hausdame und der Diener wollten gehen. An der Tür fragte Johann: »Irgendwelche Aufträge, Herr Geheimrat?«
    »Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit uns! Die Kunkel auch. Und stecken Sie sich eine Zigarre ins Gesicht!«
    »Sie wissen doch, daß ich nicht rauche«, sagte Frau Kunkel.
    Hilde lachte. Johann nahm eine Zigarre. Der Geheimrat setzte sich.
    »Nehmt Platz, Kinder! Ich habe euch etwas mitzuteilen.«
    Hilde meinte: »Sicher wieder etwas Originelles.«
    »Entsetzlich«, stöhnte die Hausdame. (Sie litt an Ahnungen.)
    »Ruhe!« befahl Tobler. »Entsinnt ihr euch, daß ich vor Monaten den Putzblank-Werken schrieb, man solle ein Preisausschreiben machen?« Die anderen nickten.
    »Ihr wißt aber nicht, daß ich mich an eben diesem Preisausschreiben, nachdem es veröffentlicht worden war, aktiv beteiligte! Und was ich bis heute früh selber noch nicht wußte, ist die erstaunliche Tatsache, daß ich in dem Preisausschreiben meiner eigenen Fabrik den zweiten Preis gewonnen habe!«
    »Ausgeschlossen«, sagte die Kunkel. »Den zweiten Preis hat ein gewisser Herr Schulze gewonnen. Noch dazu postlagernd. Ich hab’s in der Zeitung gelesen.«
    »Aha«, murmelte Fräulein Hilde Tobler.
    »Kapieren Sie das nicht?« fragte Johann.
    »Doch«, sagte die Kunkel. »Der Herr Geheimrat verkohlt uns.«
    Jetzt griff Hilde ein. »Nun hören Sie einmal gut zu! Mein Vater erzählt uns, er habe den Preis gewonnen. Und in der Zeitung steht, der Gewinner heiße Schulze. Was läßt sich daraus schließen?«
    »Dann lügt eben die Zeitung«, meinte Frau Kunkel. »Das soll es geben.«
    Die anderen bekamen bereits Temperatur. »Es gibt noch eine dritte Möglichkeit«, sagte Tobler.
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