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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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Das ist bestimmt der Millionär Tobler. Der Geheimrat Tobler. Der Mann, dem Banken, Warenhäuser und Fabriken gehören. Und Bergwerke in Schlesien, Hochöfen an der Ruhr und Schiffahrtslinien zwischen den Kontinenten.
    Die Epoche der Wirtschaftskonzerne ist vorbei. Der Toblerkonzern lebt noch. Tobler hat sich, seit er vor fünfzehn Jahren den Herrn Onkel beerbte, um nichts gekümmert. Vielleicht liegt es daran. – Konzerne gleichen Lawinen. Sie werden größer und größer: Soll man ihnen dabei helfen? Sie enden im Tal: Kann man’s verhindern?
    Tobler besitzt viele Millionen. Aber er ist kein Millionär.
    Frau Kunkel studierte die Morgenzeitung.
    Johann, der Diener, trat ins Speisezimmer. »Tun Sie nicht so, als ob Sie lesen könnten!« sagte er unwillig. »Es glaubt Ihnen ja doch kein Mensch.« Sie schoß einen vergifteten Blick ab, dann wies sie auf die Zeitung. »Heute stehen die Preisträger drin! Den ersten Preis hat ein Doktor aus Charlottenburg gekriegt, und den zweiten ein gewisser Herr Schulze. Für so’n paar kurze Sätze werden nun die beiden Männer auf vierzehn Tage in die Alpen geschickt.«
    »Eine viel zu geringe Strafe«, erwiderte Johann. »Sie gehören nach Sibirien. Um was handelt sich’s übrigens?«
    »Um das Preisausschreiben der Putzblank-Werke.«
    »Ach so«, sagte Johann, nahm die Zeitung und las das halbseitige Inserat. »Dieser Schulze! Er hat keine Adresse. Er wohnt postlagernd!«
    »Man kann postlagernd wohnen?« fragte Frau Kunkel. »Ja, geht denn das?«
    »Nein«, erwiderte der Diener. »Warum haben Sie sich eigentlich nicht an dem Preisausschreiben beteiligt? Sie hätten bestimmt einen Preis gekriegt.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Man hätte Sie auf zwei Wochen in die Alpen geschickt. Vielleicht hätten Sie sich einen Fuß verstaucht und wären noch länger weggeblieben.« Er schloß genießerisch die Augen.
    »Sie sind ein widerlicher Mensch«, meinte sie. »Ihretwegen bräche ich mir nicht einmal das Genick.«
    Johann fragte: »Wie macht sich das neue Dienstmädchen?«
    Frau Kunkel erhob sich. »Sie wird bei uns nicht alt werden. Warum heißt die Person eigentlich Isolde?«
    »Die Mutter war eine glühende Verehrerin von Richard Wagner«, berichtete Johann.
    »Was?« rief die Hausdame. »Unehelich ist diese Isolde auch noch?«
    »Keine Spur. Die Mutter war verheiratet.«
    »Mit Richard Wagner?«
    »Aber nein.«
    »Warum wollte er denn, daß das Kind Isolde heißen sollte? Was ging ihn das an?«
    »Richard Wagner hatte doch keine Ahnung von der Geschichte. Fräulein Isoldes Mutter wollte es.«
    »Und der Vater wußte davon?«
    »Selbstverständlich. Er liebte Wagner auch.«
    Frau Kunkel ballte die gepolsterten Hände. »Ich lasse mir allerlei gefallen«, sagte sie dumpf. »Aber das geht zu weit!«

Das zweite Kapitel - Herr Schulze und Herr Tobler
    Es schneite. Vor dem Postamt in der Lietzenburger Straße hielt eine große, imposante Limousine. Zwei Jungen, die mit Schneebällen nach einer Laterne warfen, unterbrachen ihre aufreibende Tätigkeit.
    »Mindestens zwölf Zylinder«, sagte der Größere. »Eine klotzige Karosserie«, meinte der Kleinere. Dann pflanzten sie sich vor dem Fahrzeug auf, als handle sich’s mindestens um den Sterbenden Gallier oder den Dornauszieher.
    Der pelzverbrämte Herr, welcher der klotzigen Karosserie entstieg, glich etwa einem wohlhabenden Privatgelehrten, der regelmäßig Sport getrieben hat. »Einen Moment, Brandes«, sagte er zu dem Chauffeur. Dann trat er in das Gebäude und suchte den Schalter für postlagernde Sendungen.
    Der Beamte fertigte gerade einen Jüngling ab. Er reichte ihm ein rosafarbenes Briefchen. Der Jüngling strahlte, wurde rot, wollte den Hut ziehen, unterließ es und verschwand hastig.
    Der Herr im Gehpelz und der Oberpostsekretär lächelten einander an. »Das waren noch Zeiten«, sagte der Herr. Der Beamte nickte.
    »Und nun sind wir alte Esel geworden. Ich jedenfalls.«
    Der Herr lachte. »Ich möchte mich nicht ausschließen.«
    »So alt sind Sie noch gar nicht«, meinte der Beamte.
    »Aber schon so ein Esel!« sagte der Herr vergnügt. »Ist übrigens ein Brief für Eduard Schulze da?« Der Oberpostsekretär suchte. Dann reichte er einen dicken Brief heraus. Der Herr steckte den Brief in die Manteltasche, bedankte sich, nickte heiter und ging.
    Die zwei Jungen standen noch immer vor dem Auto. Sie verhörten den Chauffeur. Er schwitzte bereits. Sie erkundigten sich, ob er verheiratet sei.
    »Da hätte ich doch ’n
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