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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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blies und den Duft von Salz und Sand mit sich trug. Das hieß, er war über Rom hinweg zu ihnen gelangt, über das Waisenhaus, in dem Giovanna um diese Uhrzeit in der Küche mit dem Abendessen beschäftigt war. Vielleicht hatte der Wind auch etwas von diesen Gerüchen in sich aufgenommen.
    Ganz ruhig löste sie die Hände von den Fensterläden, drehte sich um und ließ sich aufs Vordach hinunter. Dann öffnete sie die Augen und wartete auf das Schwindelgefühl, das sie im nächsten Moment erfassen und ihr den Magen umdrehen würde. Dieser Schwindel war ihr vertraut wie ein alter Gegner, den sie vielleicht niemals loswerden würde. Aber jetzt wusste sie, wie sie mit ihm umgehen musste.
    Sie unterdrückte ihn, so gut sie konnte, biss die Zähne zusammen und begann, langsam und vorsichtig hinaufzuklettern, während ihr das Herz bis zum Hals pochte.
    » Es ist alles okay, es ist alles okay « , sagte sie sich in einem fort, während sie höher und höher stieg. » Gleich bist du oben, das wird fantastisch sein … « Und so beachtete sie das Gefühl der Leere unter ihr, die Furcht abzustürzen, und sogar das beunruhigende Knacken der Dachziegel unter ihren Schuhsohlen einfach nicht.
    Eine Ewigkeit brauchte sie, so kam es ihr vor, und erleichtert atmete sie auf, als sie endlich Lidjas Hand über sich auftauchen sah.
    Mithilfe der Freundin, die ihren Arm ergriff, zog sie sich das letzte kurze Stück hinauf und hockte sich dann rittlings auf den Dachfirst der Gaube. Erst jetzt atmete sie tief durch.
    » Großartig! Nächstes Jahr nehme ich dich mit aufs Trapez«, rief Lidja und klatschte begeistert in die Hände.
    Sofia errötete. » Eins nach dem anderen.«
    » Ja, klar, ich hab ja auch nächstes Jahr gesagt«, erwiderte die Freundin augenzwinkernd.
    Sofia hob den Kopf. Der Blick war wirklich fantastisch, genau so, wie Lidja ihn ihr beim ersten Mal beschrieben hatte. Sie sah weit über den See, der von einem Kranz winterlich kahler Bäume umgeben war. Es war alles so offen, so grenzenlos, dass ihr das Herz aufging.
    Es war das Ende ihres Abenteuers und gleichzeitig ein neuer Anfang.
    Der Professor hatte die erste Frucht des Weltenbaums in einer geheimen Kammer im Verlies eingeschlossen. » Hier in der Nähe der Knospe ist sie sicher«, hatte er gesagt.
    Sofia hatte einen letzten Blick auf die Frucht geworfen, bevor sich die Tür des Raumes für immer schloss und das so warme, tröstliche Licht verbarg.
    » Was dieser Junge gesagt hat, Prof … Du hast doch seine letzten Worte gehört, oder?«, hatte sie dann gefragt und dabei die Augen niedergeschlagen.
    Der Professor seufzte. » Ja, leider hat er recht. Irgendwann werden wir auch hier nicht mehr sicher sein. Tag für Tag nehmen Nidhoggrs Kräfte zu. Das ist leider unvermeidlich. Das Siegel war nicht dafür bestimmt, um bis in alle Ewigkeit zu halten.«
    » Das heißt wohl, es wird alles auf eine Entscheidungsschlacht hinauslaufen, und wir werden es früher oder später wieder mit ihm zu tun bekommen?«
    Professor Schlafen nickte ernst.
    » Dann hat das alles wohl gar nicht so viel gebracht … ich meine, der Frucht nachzujagen, die Kämpfe, das ganze Leid … Es ändert nichts daran, dass dieser Tag der Entscheidung kommen wird?«
    Der Professor blickte ihr fest in die Augen. » Dass eine Entscheidungsschlacht unausweichlich ist, bedeutet ja nicht, dass unser Einsatz vergeblich war. Ohne die Früchte können wir nicht darauf hoffen, den Weltenbaum wieder zum Leben zu erwecken. Und ohne diesen stände Nidhoggrs Sieg bereits jetzt fest. Sofia, mach dir immer wieder klar: Du hast etwas Außerordentliches vollbracht. Du hast die erste Frucht geborgen und deiner Freundin das Leben gerettet, hast deine Angst überwunden und deine Kräfte entdeckt. Wenn das nichts ist!«
    Sofia hatte zu lächeln versucht, aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Für sie war es unglaublich, dass dies alles nur der Anfang gewesen sein sollte, dass sich diese dramatischen, angst- und schmerzerfüllten Tage wiederholen sollten, wieder und wieder, in einem Kreislauf, der erst durch so etwas Entsetzliches wie einen Krieg sein Ende finden würde.
    Die betrübte Miene des Professors löste sich zu seinem gewohnten Lächeln. » Du hast deinen Kampf gewonnen, Sofia. Vielleicht ist es dir noch gar nicht so bewusst, aber ich bin mächtig stolz auf dich.«
    Diese Worte heiterten sie tatsächlich auf, Worte, in denen sie die Wärme verspürte, die sie immer überkam, wenn sie in seiner Nähe war. Solange der
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