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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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Gefühl sagte ihr, dass sie in großer Gefahr waren. Die panische Angst, die Nida hervorrufen konnte, hatte sie kennengelernt, und das, was sie jetzt spürte, war dem ganz ähnlich. Jemand war ihr dicht auf den Fersen.
    » Prof … Prof!«
    Da öffnete sich langsam das Tor, und zwei Gestalten, die Sofia nur schemenhaft erkannte, traten heraus.
    » Prof …«
    Die Antwort hörte sie nicht, spürte nur, dass jemand, mit einiger Mühe, Lidja aus ihren Armen löste, und ein anderer ihre Schultern umfasste und sie hochhob. Warm und sanft fühlte sich die Berührung an.
    » Schnell, schnell«, war alles, was sie verstand.
    Schon hasteten sie los, und Sofia hörte nur die Schritte der beiden Männer, die sie zum Tor trugen.
    Der Erste durchquerte es, dann auch der andere, und gleich darauf verspürte Sofia einen heftigen Druck auf den Ohren. Dann hörte sie einen Schrei und lautes Geprassel. Sie fuhr herum und sah, wenn auch undeutlich, dass ein junger Mann, ein wunderschöner junger Mann, verzweifelt das Tor zu erreichen versuchte, doch so angestrengt er auch schob und drückte, etwas hielt ihn zurück, während ihm ein Meer blauer Funken um den Körper die Kleidung versengte.
    Sofia beobachtete, wie sich ihr Verfolger verwandelte. Nun erkannte sie schon einen Leib, der dem einer Eidechse ähnlich war: schwarze Schuppen überzogen ihn, und er besaß Gliedmaßen, die mit scharfen Krallen besetzt waren. Sein Kopf aber war der einer Schlange, oder genauer der eines Lindwurms, mit einem furchterregenden, riesigen Maul.
    » Das werdet ihr büßen!«, brüllte er mit einer Stimme, die nichts Menschliches hatte. Dann löste er sich von der Barriere und ging auf Abstand.
    Sofia spürte, wie sie weitergetragen wurde, während ihr eine Stimme beruhigend ins Ohr flüsterte: » Schon gut, wir sind gleich im Haus.«
    » Ihr könnte euch nicht bis in alle Ewigkeit verstecken!«, schrie der Junge hinter ihnen. » Der Tag naht, da wird Nidhoggr stark genug sein, um diese Barriere hinwegzufegen! Denn seine Kräfte kehren zurück, Thuban, und mit jedem Tag wird er stärker! Und wenn es so weit ist, wird er dich vernichten. Darauf kannst du dich verlassen!«
    Damit schloss sich die Tür und seine letzten Worte blieben ungehört. Erst jetzt erlaubte es sich Sofia, in eine tiefe, traumlose Bewusstlosigkeit zu gleiten.

24
    Ende und Anfang

    Sofia riss das Fenster ihres Schlafzimmers auf und blickte in den feurigen Sonnenuntergang. Die Farben des Himmels, rot und rosa, waren so kräftig, dass auch die dicken Wolken im Westen diesen Ton angenommen hatten. Die Luft war kalt, aber der Wind roch angenehm frisch. Es war der Geruch von Eis und Schnee, vom Winter, ihrer liebsten Jahreszeit. Eine gelassene, tiefe Freude erfüllte ihr Herz.
    » Bist du sicher?«
    Sofia drehte sich um. Lidja stand hinter ihr. Sie hatte sich überraschend schnell von dem Kampf erholt. Mit einem weiteren Tropfen des Goldenen Harzes hatte der Professor ihre Genesung beschleunigt und alle Implantate aus ihrem Körper entfernt. » Das war gar nicht so schwer«, hatte er Sofia lächelnd erklärt. » Deine Kräfte hatten bereits die Hauptarbeit erledigt.«
    Sie war rot geworden. » Du meinst wohl, Thubans Kräfte«, hatte sie ihn verbessert.
    Jetzt strahlte sie Lidja an – es war so wunderbar, sie wieder bei sich zu haben – und nickte dann.
    » Ja, ich bin sicher.«
    Dann lehnte sie sich wieder ganz weit mit dem Oberkörper aus dem Fenster, schnupperte die frische Luft und ließ sich vom Wind das Haar zerzausen. Die Augen geschlossen, erinnerte sie sich an ihre Träume, an die sanften Lüfte Drakoniens. Sie zögerte einen Moment und richtete sich dann ein wenig auf.
    » Du aber zuerst«, erklärte sie leicht errötend, an Lidja gewandt.
    Die Freundin lächelte spöttisch. » Ach, hast du doch wieder Schiss …?« Dann schnaubte sie laut mit gespieltem Verdruss und schwang sich mit einem Satz aus dem Fenster. Gleich darauf hörte Sofia ihre flinken Schritte auf dem Dach und dann ihre vom Mauerwerk gedämpfte Stimme. » Ich bin oben. Jetzt du!«
    Sofia lehnte sich wieder weit aus dem Fenster und genoss das Panorama. Gleich vor ihr, zwischen Himmel und Erde, funkelte die Venus, während sich bis zum Horizont die kahlen Baumkronen wie ein schwarz getüpfelter Teppich erstreckten.
    Sie seufzte, schloss die Augen und nahm allen Mut zusammen. Jetzt wusste sie genau, wie er zu finden war.
    Sanft umspielte der Wind ihr Gesicht. Vielleicht war es der Ponentino, ein Wind, der vom Meer
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