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Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig

Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig

Titel: Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
Autoren: Gordon R. Dickson
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ging es ihm zu schnell. Schon bald würde er wieder Angie und Chandos gegenübertreten müssen. Angie wußte bereits, daß er ein Betrüger war, auch wenn sie so loyal war, es zu bestreiten. Er wäre nicht überrascht, wenn auch Chandos Bescheid wußte. Es sah dem Ritter ähnlich, solches Wissen geheimzuhalten, bis er in der Zukunft vielleicht einmal einen Nutzen daraus ziehen konnte, und in der Zwischenzeit würde er sich darüber amüsieren.
    Jim erreichte die Kemenate und ging hinein. Er schloß die Tür hinter sich, zog sich die rote Robe über den Kopf und legte sie sorgsam aufs Bett. Einen Augenblick lang blieb er einfach in dem leeren Raum stehen. Der kühle Luftzug aus den offenen Fenstern umstrich seine Arme und Beine, soweit sie von der Unterkleidung nicht bedeckt wurden.
    Dann atmete er tief ein und sprach:
    »Carolinus?«
    Er wartete. Keine Antwort.
    »KinetetE?«
    Keine Antwort.
    »KinetetE, Magierin«, sagte er nach einer Pause. »Ich rufe Euch nur, weil Ihr vielleicht zuhört und in der Lage seid, eine Nachricht an Carolinus weiterzugeben, wo immer er sich auch gerade aufhalten mag. Ich wollte nur sagen, daß es eine plötzliche Eingebung war, die rote Robe anzulegen – ich habe nicht nachgedacht. Es war nur das erste, was mir in den Sinn kam, um die Bediensteten zur Vernunft zu bringen. Es tut mir leid. Es war auf jeden Fall falsch. Wie dem auch sei, ich habe sie jetzt abgelegt und werde sie auch nicht eher wieder tragen, bis ich das Recht dazu habe. Und wenn ich damit Schaden angerichtet haben sollte – ich bin allein dafür verantwortlich und niemand sonst.«
    Er wartete ab, erhielt aber weder eine Antwort noch ein Zeichen. Er seufzte und zog sich wieder die Kleidung an, die er vor dem Intermezzo auf dem Burghof getragen hatte. Dann verließ er die Kemenate und ging wieder hinunter.
    Auf der Treppe fiel ihm plötzlich ein, daß er nach May Heather sehen sollte, da Angie ihn bestimmt nach ihr fragen würde.
    Jim suchte nach dem Zimmer, in dem sie lag. Er fühlte sich innerlich leer, genauso leer, wie damals, als er Brian beichten mußte, daß er ihn in Cumberland mit der Lanze durchbohrt hatte.
    Magier, mittelalterlicher Krieger, Ritter, Burgherr – wenn er über alles genau nachdachte, dann schien es ihm, als hätte er in allem versagt. Es sollte nicht möglich sein, einen kurzen Krankenbesuch zu vermasseln, aber er hatte eine Vorahnung, daß er es schon irgendwie schaffen würde.
    Entschieden verbannte er diesen Gedanken aus seinem Kopf und ging weiter, bis er an eine Tür kam, die sich verzogen hatte und sich nicht mehr vollständig schließen ließ. Durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen konnte er May Heather auf dem Bett liegen sehen. Sie trug ein Hemd, das für sie zu groß und dessen Blau fast zu einem Weiß verblichen war. Sie war wach, lag da und starrte an die Decke. Er stieß die Tür auf und trat ein.
    »Nun, May…«, begann er.
    »M'lord!« May machte Anstalten, aus dem Bett zu kriechen.
    »Nein, nein!« sagte er und bedeutete ihr liegenzubleiben. »Bleib da. Ich sehe nur nach dir, damit ich Lady Angela erzählen kann, wie es dir geht. Und, wie fühlst du dich?«
    »Sehr gut, M'lord. Wirklich sehr gut. Ich fühle mich wie eine Prinzessin, M'lord, hier in diesem großen Bett und in diesem schönen Zimmer. Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal erleben würde, wie sich das anfühlt.«
    »Du bleibst einfach hier, bis dir gesagt wird, daß du aufstehen darfst«, sagte Jim rauh.
    »Oh, das werde ich. Aber ich sollte unten sein und beim Essen helfen. Mir geht es wirklich sehr gut, M'lord.«
    Sie sah jedoch nicht gut aus. Ihr Gesicht war an mehreren Stellen geschwollen, und da gab es auch die eine oder andere Schramme – auch wenn keine blutete. Gesicht und Arme waren offenbar gewaschen und ihr Haar gebürstet worden, vermutlich sogar gekämmt.
    Jim versuchte, kein Mitleid mit ihr zu haben – ihre Wunden, ihre niedrige Stellung im Leben, ihr lächerliches Pflichtgefühl –, aber es gelang ihm nicht. Er hatte auf die harte Tour gelernt, daß das letzte, was diese Menschen wollten, Mitleid war.
    Mitleid deutete offenbar an, daß man den, den man bemitleidete, für schwach hielt, und konnte als verkappte Verachtung und Hohn aufgefaßt werden. Davor hatte KinetetE Angie gewarnt, als sie den Grafen von Cumberland trösten wollte, nachdem Jims Magie ihn in die tiefste Verzweiflung gestürzt hatte.
    Aber jetzt gewannen Jims Gefühle. Ein machtvoller Drang, ein letztes Mal zu versuchen, wie
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