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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
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zu zerreißen: War das Germelin Stotzner, der diese Worte schrieb?
    Der Schmerz in der Brust wird zu einem heißen Stechen, nimmt ihr die Luft. Hendrikje zerrt mit fahrigen Bewegungen am Kragen ihres Schmeichelmoosoveralls, und als wäßrige Nebel ihr Gesichtsfeld einengen, kann sie noch denken: Es geht also auch ohne diese vermaledeiten Quallen…
    Dann fühlt sie, wie jemand seinen Arm um ihre Hüften schlingt und so den Sturz behutsam, fast zärtlich abfängt.
    “Sie dürfen nicht soviel von diesen Dingern nehmen, Bürgerin. Vielleicht sollten Sie versuchen, es ganz zu lassen. Was ist denn das schon für ein billiger Ersatz: Gefühle, die man herbeikommandieren kann.”
    Die Stimme klingt weich und einfühlsam. Und Hendrikje spürt erstaunt, daß es in ihren Augen heiß und feucht schimmert.
    Sie spürt, daß etwas in ihr geschieht, was sich nicht kontrollieren läßt, erkennt am Geruch nach Schweiß und irgend etwas Undefinierbarem, das auch vom Aroma der verschiedenen Kosmetika nicht überlagert wird, eher als am Timbre der Stimme, daß es ein Mann ist, der sie an sich preßt. Ein kleiner rebellischer Gedanke durchflutet sie kurz, aber gewaltig: Siehst du, Ergar, das hast du nun davon, was mußt du auch in der Wohnung herumkramen, um irgendwelchen Trödel zu suchen. Heute hättest du bei mir sein müssen, gerade heute…
    “Kann ich Ihnen helfen, Bürgerin? Wohin wollten Sie, ich begleite Sie, wenn es Ihnen nicht unangenehm ist.”
    Irgendwie kommt ihr die Stimme bekannt vor, aber sie hat einfach keine Lust, den Kopf zu heben und so das honigsüße Gefühl der Geborgenheit zu zerstören, statt dessen kuschelt sie sich noch tiefer in das Schmeichelmoos. Sie schnuppert neugierig und seltsam erregt nach diesem Undefinierbarem, muß plötzlich kichern, als ihr auffällt, daß sie sich wie ein Insekt verhält, das sich nur von seiner unglaublich feinen Nase leiten läßt, und ist so ungewohnt glücklich, daß sie beginnt, sich vor dieser Empfindung zu fürchten.
    “Ich muß in das Zentrum für Sonnenforschung, im Urbanidum Universum, einhundertzweite Ebene…”, flüstert Hendrikje und krallt sich im Schmeichelmoos des Mannes fest, und das schon weniger unbewußt als vorsätzlich.
    Als sich der Mann ihrem Schritt anpaßt, glaubt sie zu schweben, und als sie die rubingefaßte Perle in der Faust wieder spürt, sagt sie: “Eigentlich ist es doch egal, ob einem Denkmäler gesetzt werden, letztlich lebt man doch nur für sich ganz allein…”
    Sofort spürt sie, wie sich der Unbekannte verkrampft, beinahe glaubt sie die Ablehnung zu riechen, die ihn plötzlich wie eisiger Hauch umgibt, und obwohl dieser Eindruck nur eine Winzigkeit andauert, beunruhigt sie es zutiefst.
    “Das wäre ein armseliges Leben, nur für sich ganz allein…”, sagt er bedächtig, und als sein Griff wieder weich und doch auf unbeschreibliche Weise fest wird, durchströmt es sie, als hätte er ihr gerade eine mörderische Untat vergeben.
    Wie zufällig gerät ihr wieder die Tageslosung ins Blickfeld, und einem spontanen Einfall folgend, sagt sie: “Sollte man es nicht umgekehrt sagen: Der Reichtum jedes einzelnen ist der Reichtum der Gemeinschaft.” Über Zustimmung hätte sie sich wohl gefreut, mehr aber hat sie Ablehnung erwartet und aus ihr unbegreiflichen Gründen trotzdem gefragt. Seine Reaktion überrascht sie. Er preßt sie noch stärker an sich und sagt leise: “Irgendwann werden wir diesen ganzen Blödsinn nicht mehr nötig haben, dann erst werden wir wirklich reich sein – oder unsere Kinder, unsere Enkel…”
    Der bittere Ton in seiner Stimme schreckt Hendrikje auf. Sie löst sich aus der Umarmung, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Ein Dutzend Bilder steigen in ihrer Erinnerung auf, Szenen aus Selbstspielen, in denen die Helden der Stücke ähnlich klingende Worte deklamieren, mit glühenden Augen, von gleißendem Licht eingehüllt.
    Ihr Blick verfängt sich in dem zweier kohlrabenschwarzer Augen. Das Gesicht ist zweifellos polynesisch zwei, sein Besitzer einer der wenigen Glücklichen, bei denen diese Optimierung möglich war.
    Hendrikje prallt zurück. Es ist das Gesicht des Mannes, der Germelin Stotzner dem MOBS gemeldet hat. Sein Blick ist nicht feurig oder kämpferisch, wie stumpfe Kiesel liegen die Augen in ihren Höhlen, und um den kobaltblau geschminkten Mund hat er einen Zug abgrundtiefer Verachtung für alles und jeden auf dieser Welt. So jedenfalls scheint es ihr.
    “Sie…”, zischt Hendrikje fassungslos und
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