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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
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Obwohl jeder weiß, daß Skagits Auftritte vor jedem Anflug der Merkurbasis die reinste Heuchelei sind. Skamander hat bisher mitgespielt, wenn Skagit stöhnend und jammernd durch den Drachenkreuzer rannte, seinen Arthur rief und alle aufforderte mitzusuchen.
    Skagit steigert sich immer so sehr in seine Rolle hinein, daß er am Tag vor der Hygienekontrolle keinen Bissen ißt, wie das leibhaftige Elend durch die Tunnel und Decks der Ikaros schleicht und jeden mit vor Leid zitternder Stimme fragt, ob er nicht seinen Zwergburrbo gesehen habe.
    Fällt die Ikaros aber erst mit gerefften Segeln der Sonne entgegen, hoppelt Arthur, quietschend und zirpend vor Wohlbehagen, wieder durch den Drachenkreuzer, und Skagit tut so, als sei nie etwas gewesen.
    Skamander ahnt seit langem, daß es mit diesem Tier seine besondere Bewandtnis haben muß. Superproximer Skagit ist nicht so ein sentimentaler Träumer wie Styx oder Schnuckchen, er ist auch nicht so verklemmt wie der dicke Bruno. Ganz im Gegenteil, an Kaltschnäuzigkeit und Gerissenheit übertrifft er jeden an Bord – warum sollte er in solch einer Nebensächlichkeit eine derart auffällige Schwäche zeigen?
    “Paß auf, daß dir nicht die Adern platzen, Skagit”, sagt er, das Gesicht des Superproximers deutlich vor Augen. Das ist immer so bei Skagit, er wird krebsrot, wenn er sich ärgert oder erregt, und an seinem Hals zucken die Schlagadern wie zwei dicke Regenwürmer, die gerade auf den Angelhaken gespießt wurden. Einen Augenblick lang erinnert er sich daran, daß er mit Skagit autogenes Training gemacht hat, daß er ihm helfen wollte, ausgeglichener und selbstbewußter zu werden, denn daß Skagits große Klappe nur die Maske ist, hinter der sich etwas allen ganz Unbekanntes und vielleicht sogar Fremdes verbirgt, das hat Skamander schnell durchschaut. Fast wären sie Freunde geworden… Aber seit die Drachenkreuzerflotte aufgelöst wurde, ist der Wurm auch in der Ikaros drin und wühlt und bohrt.
    Zuerst haben sie die Re abgezogen, dann die Baldur. Als die Con Ticci Viracocha verschrottet wurde, spürte er das erstemal die zunehmende Nervosität unter den Leuten. Dann war die Utu an der Reihe. Aus der Sol invictus machten sie einen Vergnügungsdampfer, die Shamasch, die Yang und die Helios sind inzwischen sicherlich als Schaumstahlplatten für den Inselbau auferstanden…
    Seit nur noch die Ikaros im Sonnenwind segelt, ist aus der Truppe von Kosmander Ireas Flakke ein Haufen von Neurotikern und Psychopathen geworden, denkt Skamander verbittert. Alle haben Angst vor der Zukunft.
    “Könnt ihr beide euch vielleicht etwas mehr auf das Omegasegel konzentrieren?” Bruno von der Hohen Aue flüstert es beinahe, wohl im letzten Moment doch noch erschrocken über den Wagemut, mit dem er sich zu diesem Vorwurf durchrang.
    “Hör dir unser Blaublut an, Salamander, dem muß wohl wieder mal jemand den Wecker aufziehen, was?” Skagits Stimme klingt versöhnlich, und trotzdem teilt er in einem Satz gleich wieder zwei Hiebe aus.
    “Ach, laß den Dicken doch in Ruhe…” Skamander ist des Streits müde. Er hat Skagits Angebot wohl verstanden. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Leuten läßt sich bekanntlich am elegantesten schlichten, indem man gemeinsam über einen dritten herfällt, und Bruno ist ein wahrhaft lohnendes Opfer.
    “Das ist eine historische Taschenuhr, die in direkter väterlicher Linie vererbt wurde, die Uhr ist so alt, so weit kannst du gar nicht zurückdenken!” Bruno wehrt sich zurückhaltend.
    “Ist gut, Bruno, du kennst doch Skagit”, lenkt Skamander ein, und bei sich denkt er: Auf der Ikaros hat jeder irgendeinen Tick. Skagit hat seinen Arthur, Styx seine Baseballmütze, Schnuckchen ist schwul, und Bruno – der hat einen komischen Namen und eine goldene Taschenuhr, die er an einem Kettchen um den Hals trägt wie ein Amulett. Na und? Für den gewaltigen Namen kann er nichts. Seine Vorfahren waren eben etwas orthodox und klammerten sich hartnäckig an die individuelle Kinderaufzucht. Bruno hat nie ein Nesturbanidum von innen gesehen – vielleicht ist er deshalb so unbeholfen und verklemmt? Dafür weiß er bis ins…zigste Glied, wer seine Ahnen waren, bis zu irgendwelchen Raubrittern. Aber er ist nicht optimierbar, und wahrscheinlich ist das der eigentliche Grund für seine Persönlichkeitsdefekte: Bruno von der Hohen Aue ist ein Fettwanst mit einem Vollmondgesicht, obgleich er nicht mehr ißt als irgendein anderes Besatzungsmitglied der Ikaros.
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