Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
Und daß er fortwährend von anderen ästhetischen Werten faselt, ist nur zu gut verständlich. Bruno ist häßlich, und Häßlichkeit ist in einer Welt optimierter Phänotypen wie eine schlimme Krankheit.
    Der Gedanke erleichtert Skamander irgendwie – häßlich ist er ganz sicher nicht. Zwar hat er mindestens drei Väter und zwei Mütter, wenn man die Kombination der Erbanlagen zugrunde legt und außer acht läßt, daß auch diese Optimierte waren und somit die Anzahl der Großeltern potenzieren, aber ansonsten kann er wie Bruno behaupten, richtige Eltern gehabt zu haben, denn Nikolas und Irina Skamander haben ihren Sohn nicht ins Nesturbanidum gegeben.
    Wie unheimliche Schatten tauchten die Erinnerungen aus seinem Gedächtnis auf. Zwei Jahre war er, als die Sonne das erstemal erbebte, als eine tektonische Flutwelle über die Tagseite des Merkurs raste und die Station Nabuthot in Schutt und Asche legte. Mutter wurde unter den Trümmern der einstürzenden Plantagenkuppel begraben, Vater lag nach einem schweren Unfall – Reste einer Protuberanz leckten bis auf die Merkuroberfläche, er schaffte es nicht mehr bis zur Bunkerschleuse – mit schwersten Verbrennungen in der Substitutionsklinik der Station und wartete darauf, daß genug Hauttransplantat heranwuchs, als die Sauerstofftanks explodierten und auch die Klinik restlos zerstörten. Ja, Skamander hatte richtige Eltern gehabt, und hätten sie ihn damals nicht zur Erde geschickt, die sie immer nur Heimat nannten, damit er sich wenigstens ein bißchen an die irdische Schwerkraft gewöhnte, hätte wohl auch Skamander zu den über tausend Toten dieser Katastrophe gezählt. Danach kam auch er ins Nesturbanidum von Amorix, erhielt die Weihe des Großen Schatzes, gehörte einer Kindschaft an, fand eine Lustpartnerin – wuchs so auf, wie Kinder für gewöhnlich aufwachsen. Aber Nikolas und Irina Skamander, deren Namen er trägt, vergaß er nicht, und als er sein Lebensziel nennen sollte, sagte Skamander ohne Zögern: “Ich werde den Tod meiner Eltern aufklären.” Die Animatoren akzeptierten diese Erklärung, denn sie bedeutete, daß sich Skamander der Sonnenforschung verschreiben würde. Und da er eine ganz persönliche Beziehung zu seinem Vorhaben nachweisen konnte, war er einer der wenigen hundert unter Millionen Bewerbern für die Drachenkreuzerflotte, die angenommen wurden.
    Im Lauf der Jahre war dieses Motiv etwas in den Hintergrund getreten, da wurde anderes wichtiger. Erst die Gewöhnung an die neue Umwelt. Sechshunderttausend Kubikmeter Ikaros waren das, und bis er jeden dieser Würfel von einem Meter Kantenlänge gesehen hatte, verging schon einige Zeit. Danach wurde die Merkurbasis auf der Nachtseite des Planeten enorm wichtig, als nämlich bekannt wurde, daß im Verwaltungstrakt ausschließlich Frauen mit einem Durchschnittsalter von siebenundzwanzig Komma drei acht Jahren arbeiteten. Damals begannen sie, Striche auf Papierstreifen zu malen und am Morgen jedes Flugtages ein Schnipselchen abzuschneiden.
    Dann unterlag seine Aufmerksamkeit einem extremen Konzentrationsprozeß, als dessen Zentrum sich über die Abstufungen Technische Organisation, Bereich Klimatisierungsanlagen, Abteilung Kühlaggregate, Gruppe Thermostatregelung, Büro Rentabilitätskalkulation, Terminalplatz vier, schließlich ein weiblicher Phänotyp slawisch Alpha namens Domina Teorin herauskristallisierte. Und eine Weile mußte er diese Aufmerksamkeit sogar teilen, denn die Bemühungen eines gewissen Proximers Styx um ebenjene Domina Teorin waren nicht zu übersehen.
    Mit dem Ansteigen der Sonnenoszillationen jedoch geriet diese Domina Teorin etwas aus dem Mittelpunkt seines Sinnens und Trachtens, denn nun regte sich in ihm wieder der Haß auf die Sonne, die immer nur Lebenspenderin genannt wurde, seinen Eltern jedoch den Tod gab und ihm ein Leben, für das diese Erde, die seine Heimat sein sollte, nicht eingerichtet ist… Allmählich wird ihm das grellrote Flackern in der Kabine des Wantentrailers bewußt. Auf dem Armaturenbrett leuchtet rhythmisch der schematisierte Segelriß der Ikaros auf, und die Anzeige für das Omegasegel blinkt rot.
    Da meldet sich auch schon der Kosmander. “Ich denke, Sie können die Omegabrasse jetzt ausklinken, Proximer Skamander!” Und nach einer kurzen Pause setzt er unwillig hinzu: “Was ist nur los mit Ihnen, meine Herren, seit einiger Zeit benehmen Sie sich wie blutige Anfänger!”
    Noch bevor Flakke seinen Satz beenden konnte, hat Skamander
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher