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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
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erstarrt unwillkürlich, aber nun ist es weniger Mitleid oder gar Entsetzen, was sie verharren läßt, sondern es gleicht eher jenem Prickeln, das wie tausend Ameisen über die Haut läuft, wenn die Aufführung eines Selbstspielstücks, in dem man über eine komplizierte Intellektronik mit dem Bewußtsein des Helden verbunden ist, ihren Höhepunkt erreicht.
    “Bürger Germelin Stotzner, bitte, begleiten Sie uns zum Hauptquartier des MOBS. Es geht um eine notwendige Untersuchung.”
    Die Worte waren sachlich und ohne jede Drohung gesprochen, trotzdem dachte Hendrikje einen kurzen Augenblick, der Mann hatte doch vorher eine Qualle lutschen sollen. Vielleicht hätte etwas mehr Mitgefühl den Mungo besänftigt, so aber taumelte dieser zurück, hob abwehrend die Hände und keuchte: “Waswolltihrvonmir, Möpse? Kümmerteuchlieberumdiemungos… Laßtunbescholtenebürgerzufrieden, dieihretäglichenpläneerfüllenundjedetageslosungmitlebenausstatten, wieesdiegemeinschafträt…”
    Die beiden Möpse verständigen sich mit einem kurzen Blick und einem Schulterzucken, was wohl heißen sollte: Der Mann ist ein stiller Mungo, er weiß noch gar nichts von seiner Krankheit.
    “Beruhigen Sie sich, Bürger Stotzner, es wird sich alles aufklären, man wird sich mit Ihnen unterhalten, es geschieht Ihnen nichts.” Der Grieche ist an den Mungo herangetreten und hebt den Arm, wohl um Stotzner begütigend auf die Schulter zu klopfen.
    Da geht alles blitzschnell. Der Mungo muß einen Angriff befürchtet haben – mit einer Drehung des Oberkörpers, der Hendrikje kaum zu folgen vermag, weicht er kurz zurück, seine linke Hand schlägt den Arm zur Seite, und gleichzeitig schmettert er dem Mops die rechte Faust ins Gesicht. Dem Griechen schießt ein dunkelroter Blutstrahl aus der Nase, er verdreht die Augen und klatscht auf den Rücken.
    Ein normaler Mensch kann sich unmöglich mit solcher Schnelligkeit bewegen, durchzuckt es Hendrikje, selbst wenn er ausgebildeter Spielathlet ist! Sie empfindet so etwas wie ein merkwürdig angenehmes Gruseln und spürt, wie sich die Neugier in ihrem Denken aufbläht wie ein Luftballon. Bisher wußte sie über den Mungoismus nur das, was in den Orientierungssendungen des Freiwilligen Informativen Pflichtprogramms bekanntgegeben wurde: Mungoismus ist eine rätselhafte, aber sehr seltene Krankheit, die alle Organe und Teile des menschlichen Körpers befällt und sich in einer progressiv ansteigenden Lebensgeschwindigkeit manifestiert. Eine Bedrohung für die Gemeinschaft besteht nicht, da Mungoismus nicht infektiös ist. Man solle sich keine Sorgen machen, es träten nur ganz selten Fälle auf, trotzdem habe jeder Bürger die Pflicht, den eigens hierfür gegründeten MOBS tatkräftig zu unterstützen, gemäß den Grundsätzen, die den Tageslosungen zu entnehmen sind. Aber sie hat heute das erstemal einen echten Mungo gesehen – und sie ist fasziniert. Die Geschmeidigkeit und Flinkheit seiner Bewegungen, die bei genauem Hinsehen überhaupt nichts Ruckhaftes, Hektisches haben, die Leichtigkeit, mit der er den vermeintlichen Angreifer abwehrte…
    Hendrikje kommt nicht dazu, den Gedanken zu vollenden. Wahrscheinlich war der Mungo zu sehr von seiner physischen Überlegenheit überzeugt, oder es lag an der soliden Ausbildung der Möpse: Fast im selben Augenblick, in dem der Grieche zu Boden stürzte, sprangen die beiden anderen den Mann an. Jetzt windet sich der Mungo, brüllend und mit den Füßen tretend, zwischen ihnen, die ihm beide Arme auf den Rücken gedreht haben.
    Der Grieche erhebt sich stöhnend und wischt sich das Blut aus dem Gesicht. Seine Miene verheißt nichts Gutes, und Hendrikje hört ihn schimpfen: “Immer das gleiche Theater, wann werden endlich die Züngler zum Einsatz freigegeben…, jeden Tag diese Zwischenfälle…” Dann aber reißt er sich zusammen und sagt nur kurz: “Kommt!”
    Die Menschenmenge schaut unbeteiligt zu und protestiert auch nicht, als die drei den Mungo zu einem der gerade anrollenden Viereramigos schleppen.
    Diese Disziplin gehört zu unseren größten Erfolgen, denkt Hendrikje und fühlt Stolz, Bürger dieser Welt zu sein. Es gilt als äußerst unmoralisch, seinen Warteplatz in einer der Schlangen vor Amigohaltepunkten, Tubifexstationen oder anderen Einrichtungen zu verlassen, um sich einfach vorzudrängein, aber wie jetzt wird von jedem die Einsicht in Notwendigkeiten erwartet.
    Diese Einsicht ist eins der Fundamente unserer Gemeinschaft, überlegt Hendrikje. Der
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