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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues
Autoren: Myra Cakan
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meinen Arm. Das Gewicht des SComs ist noch neu für mich, so neu wie der ganze Job. Sie bemerkt es und grinst. Typische Anfänger-Geste. Mein Gesicht glüht. Na, toll. Besser hätte ich mich überhaupt nicht vorstellen können.
    Von DelMonico hat wohl schon jeder gehört, sie ist Legende bei der City Force. Eine von der harten Sorte. Hat die höchste Abschussliste in der Zentrale. Dabei könnte sie schon längst auf eigene Rechnung arbeiten, ist aber lieber an den echten Sachen dran als an den Prämienfällen.
    Es wird drüber geredet, dass sie früher der schärfste Cop im DWNTN-HQ war, bis die CF sie abgeworben hat. Für mich könnt’s ’n Treffer sein, diese Frau kennt alle Tricks. Sie kennt den besten Trick von allen, den Überlebenstrick. Aber wird sie ihn mir zeigen? Ein guter Cop hat seine kleinen Geheimnisse, heißt es.
    Da ist nur noch dies andere Gerücht. Drei Partner in zwei Jahren – in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Vorzeitiger Ruhestand, das klingt nicht so endgültig wie im Einsatz getötet, bdeutet aber das Gleiche. Vorzeitiger Ruhestand, das ist nur eine Aktennotiz hinter der CF-Nummer, Ex-CF-Agent, Ex-Partner. An Del ist nichts hängengeblieben – nur verstohlene Blicke, Flüstern und Andeutungen. Nichts, was eine Anfängerin wie mich etwas anginge. Doch ich mach mir so meine Gedanken. Könnte verdammt gefährlich werden, diese neue Partnerschaft, gefährlich für mich.
    Wir gehen nur über die Straße – ins Red Door. Hier gehen alle CF-Agenten hin. Ich war noch nie in dem Laden, dachte bisher, ich gehöre nicht dazu. Noch etwas, was jetzt anders ist. Ich taste schon wieder nach meinem SCom, nur um mich zu versichern. Dumme Angewohnheit. Diesmal hat sie es nicht bemerkt. Oder vielleicht tut sie auch nur so, mir zuliebe. Damit ich nicht noch mal rot werde.
    »Setz dich.« DelMonico schiebt mir einen dampfenden Becher zu. Ihre Augen, immer noch abschätzend, haben die Farbe von regennassem Asphalt. »Erzähl mir was über dich, Donovan. Ich weiß gern, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Ich wette, du kennst mein Psychoprofil und meine Punktzahl vom Training.« Ich zucke die Schultern und rühre Süßstoff in den Kaffee. »Was soll ich dir noch sagen?«
    Vielleicht, wie ich aufgewachsen bin? Das Privileg hatte, zur Schule zu gehen? Oder wie meine besten Freunde von einem Junkie beim Überfall auf einen Drugstore ermordet wurden? Vielleicht sollte ich ihr etwas über die Leute erzählen, die mich aufnahmen, nachdem meine Eltern bei einem Terroranschlag umkamen. Sie sagten, sie wären meine Verwandten, und kümmerten sich um mich – na ja, was sie so kümmern nannten –, bis sie beim Siedlungsprojekt der SpaceCraft einstiegen. Jahrzehnte im Kühlschlaf für einen Traum. Ich blieb zurück – wieder allein. Dann waren da noch die verlorenen Monate in den Bergwerken und auf den Halden, oben im Norden. Jeder, der in der Downtown lebt, hat Ähnliches zu erzählen. Und dabei hatte ich noch Glück, wem gelingt schon der Absprung aus den stinkenden Schlafsälen der städtischen Wohlfahrt? Doch der Gedanke, der CF dafür ewig dankbar sein zu müssen, ist mir verhasst.
    »Du hast als Beste abgeschnitten. Wär’s anders, hätt ich dich als Partner abgelehnt«, sagt sie lakonisch. »Was weißt du über mich?«
    »Nur, was so erzählt wird«, sage ich vage. Dies könnte ein schwieriges Thema werden. Ich hoffe, sie fragt nicht nach.
    Doch sie lacht nur – laut und unbekümmert. Ich glaub, sie gefällt mir, trotz all dem Gerede über ihre Partner.
    »Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen, Donovan.« Sie steht auf. »Wollen mal nachsehen, was Lieutenant Fraser uns für heute angehängt hat.«
    Sie presst das »Lieutenant« zwischen schmalen Lippen raus. Noch ein Punkt für sie. Wer Fraser nicht mag, ist schon mein Freund.
    »Du sagst, du hättest mich ablehnen können.« Diese Frage geht mir die ganze Zeit durch den Kopf. »Warum hast du mich genommen, DelMonico?«
    »Meine Freunde und Partner nennen mich Del.« Sie grinst wieder. »Du bist so, wie ich früher war, hungrig. Reicht das?«
    Ich nicke. Vielleicht kommt der Tag, an dem ich sie noch einmal fragen werde. In diesem Augenblick bin ich einfach nur geschmeichelt, fühle mich verstanden.
    Am nächsten Morgen. Ich bin viel zu früh, Del kommt spät. Schulterzucken, Grinsen. So ist das eben, kapiert?
    Ich grinse zurück – alles klar. Bin hier nur die Anfängerin, darf übereifrig sein. Und bereits jetzt spür ich, da ist noch so viel mehr
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