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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues
Autoren: Myra Cakan
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zu lernen.
    Fraser ruft uns rein. »Und – ist sie so weit?« Die Frage geht an Del. »Sie«, das bin ich.
    Del zuckt die Schultern. »Klar, warum nicht. Was liegt an?«
    »Downtown hat uns eine Meldung über ein 8/7er geschickt. Unten im Barrio.« Er wippt mit seinem Stuhl, kratzt sich den fetten Bauch. Muss wirklich ein brandheißer Fall sein. Sein Blick wandert zur fliegenscheißeübersäten Decke. Frasers Orakel. »Fallnummer 87/5690656.«
    »Geht klar.« Del hat sich die Daten längst aufs SCom geladen.
    Und schon stehen wir wieder draußen. Während ich noch unauffällig rauszufinden versuche, was ein 8/7er ist. Doch ich schaffe es nicht mal, mich in die Datenbank einzuloggen. Alles, was ich meinem SCom entlocke, sind schrille Warntöne. Del beobachtet mich amüsiert. Und ich werde schon wieder rot.
    Sie greift nach meinem Arm und wirft einen kurzen Blick auf das Display. »Nicht dein Fehler. Bring’s runter zu LaSalle. Sie schiebt heute Dienst in der Wartung.«
    Ich sehe sie fragend an – LaSalle, Wartung? Wann werde ich mich endlich nicht mehr so »neu« hier fühlen?
    Doch sie hat mir das SCom schon abgenommen. »Ich bring es eben runter. Warte beim Übergang auf mich.«

    Der Übergang, so nennen sie hier den Bereich zwischen der Landebucht der City Jets und der Straßenschlucht der Einhundert-Süd-West, die direkt unter der CF-Zentrale verläuft. Das Wummern der Hoover auf dem Zubringer ist hier oben zu Hintergrundrauschen geworden, nur ab und zu unterbrochen von dem hohen Pfeifen startender City Jets.
    Hier oben braucht man heute keine Maske, es ist noch zu früh am Tag. In der Nacht haben die Küstenwinde den Smog ausgedünnt. Ich bilde mir sogar ein, Meerluft zu riechen. Ist wahrscheinlich nur der Luftverbesserer aus dem Schlafsaal, der mir noch in den Kleidern hängt.
    Del kommt. Sie sieht wütend aus. Ihre Lippen bewegen sich, aber ich kann sie nicht verstehen. Hinter mir landet gerade ein schwarzer Saab-Aerospace MX. Ein Typ im Coverall der CF-Wartung steigt aus und gibt Del das Daumen-hoch-Zeichen. Sie winkt mich zu dem Fahrzeug. Ich weiß immer noch nicht, wie unser Auftrag lautet.
    Wir steigen ein, und kaum dass ich mich angeschnallt habe, stürzt uns Del in die Tiefe. Ich kralle mich in die Armstützen. Will sie uns umbringen? Doch sie lacht über meine Furcht. War das ein Test? Wenn ja, dann bin ich wohl durchgefallen. Kurz vor den Positionsleuchten fängt sie das Fahrzeug ab, schaltet auf Leitstrahl und lehnt sich zurück. Sie ist völlig entspannt. Ich bin das Gegenteil. Mein erster Einsatz als CF-Agent, und ich weiß nicht, worum es dabei geht.
    Als hätte sie meine Gedanken gelesen, reicht sie mir mein SCom rüber. »File 87/5690656«, sagt sie lapidar.
    Sie kann die Fallnummer auswendig. Ich wette, sie kennt auch sämtliche Details. Und das nicht, um mich zu beeindrucken. So was hat City Force-Agent DelMonico nicht nötig. Ich werfe einen Blick auf den Autopiloten. Die Koordinaten kommen mir vage bekannt vor.
    »Wir fahren nach Shapiro?«
    »Ist alles in deinen Unterlagen.«
    Sie sieht mich nicht einmal an. Ihre Stimme klingt unbewegt, und doch hat sie mir eben einen Verweis erteilt. Ich krieche tiefer in den Konturensitz und vertiefe mich in den 8/7er. Ein 8/7er ist ein Fall von Kidnapping, bei dem bereits eine Lösegeldforderung eingegangen ist sowie K&R-Vermittler eingeschaltet wurden.
    Als ich fertig bin, stelle ich meine Frage erneut, diesmal etwas umformuliert: »Warum fahren wir nach Shapiro?«
    Del zuckt die Schultern. »Der Kunde will’s so.«
    Der Kunde ist in diesem Fall »Bounty« – so heißt die größte Kidnap & Ranson-Versicherungsgesellschaft, die auf Lösegeldforderungen spezialisiert ist –, und in dem File stand, dass wir uns mit den Eltern und Vermittlern treffen sollen.
    »Dieser Chico van Buren ist in der Downtown verschwunden?«
    »Vor neun Tagen. Steht doch alles da.« Sie klingt unwirsch.
    »Ja, aber«, sage ich, »was hatte er denn da zu suchen. Er ist doch erst dreizehn.«
    Dreizehn – wenn du auf der Straße lebst, ist das alt. Kommst du aus der Uptown, bist du ein behütetes Kind.
    »Schlechte Gesellschaft.« Sie zuckt die Schultern. »Was weiß ich, was diesen verwöhnten Uptownern durch den Kopf geht.«
    »Aber wäre das nicht ein Prämienfall?«
    »Ganz recht, es ›wäre‹ ein Prämienfall.« Sie spuckt die Worte aus. »Wären seine hirngewaschenen Eltern nicht auf die Idee gekommen, Bounty zu rufen.«
    Jetzt verstehe ich allmählich ihren Zorn.
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