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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel
Autoren: Daniel Silva
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gewesen war.
    Sie blieben vor Boothbys Humber stehen.
    »Sie werden verstehen, wenn ich Sie nicht auf einen Drink hereinbitte«, sagte Vicary. »Ich würde mir gern das Blut von den Händen waschen.«
    »Das ist das Schöne daran, Alfred«, Boothby hielt Vicary seine Pranken hin. »Das Blut klebt auch an meinen Händen.
    Aber ich kann es nicht sehen und sonst auch niemand. Es ist ein heimlicher Schandfleck.«
    Der Motor des Wagens sprang an, als Boothby die Tür öffnete.
    »Wer ist Broome?« fragte Vicary ein letztes Mal.
    Boothbys Gesicht verfinsterte sich, als sei eine Wolke darüber hinweggezogen.
    »Broome ist Brendan Evans, Ihr alter Freund aus Cambridge.
    Er erzählte uns, wie Sie es anstellten, im Ersten Weltkrieg zum Nachrichtenkorps zu kommen. Er erzählte uns, was Ihnen in Frankreich passierte. Wir wußten, was Sie antrieb und motivierte. Wir mußten es wissen, denn schließlich haben Sie für uns gearbeitet.«
    Vicary spürte, wie es in seinem Kopf zu pochen begann.
    »Ich habe noch eine Frage.«
    »Sie wollen wissen, ob Helen in die Sache verwickelt war oder ob sie aus eigenem Antrieb zu Ihnen kam.«
    Vicary stand reglos da und wartete auf eine Antwort.
    »Warum gehen Sie nicht zu ihr und fragen sie selbst?«
    Dann stieg Boothby in seinen Wagen und fuhr davon.

64
    London: Mai 1945

    Um sechs Uhr abends räusperte sich Lillian Walford, klopfte sanft an die Bürotür und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Der Professor war da. Er saß an dem Fenster, das auf den Gordon Square hinausging, den schmächtigen Körper über ein altes Manuskript gebeugt.
    »Ich gehe jetzt, Herr Professor, wenn Sie mich nicht mehr brauchen«, sagte sie und begann wie an jedem Freitagabend, Bücher zuzuklappen und Papiere aufzuräumen.
    »Nein, danke, ich komme schon zurecht.«
    Sie sah ihn an. Nein, dachte sie, irgendwie bezweifle ich das, Professor Vicary. Er hatte sich verändert. Oh, sehr gesprächig war er noch nie gewesen. Von sich aus hatte er nie ein Gespräch angefangen, es sei denn, es war unbedingt nötig. Doch er wirkte jetzt noch verschlossener als früher, der arme Kerl. Und es wurde mit der Zeit immer schlimmer, und nicht besser, wie sie gehofft hatte. Es gab viel Gerede unter den Kollegen, müßige Spekulationen. Einige behaupteten, er habe Männer in den Tod geschickt oder die Tötung von Menschen angeordne t. Eigentlich traute sie dem Professor so etwas nicht zu, aber ganz ausgeschlossen war es nicht, das mußte sie zugeben. Aus irgendeinem Grund hatte er Schweigen gelobt.
    »Sie sollten auch bald gehen, Herr Professor, wenn Sie Ihren Zug noch erreichen wollen.«
    »Ich denke, ich werde das Wochenende in London bleiben«, sagte er, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen. »Ich möchte mir die Stadt bei Nacht ansehen, jetzt, wo die Lichter wieder brennen.«
    »Die verfluchte Verdunkelung! Hoffentlich werde ich so etwas nie wieder erleben.«
    »Mein Gefühl sagt mir, daß Ihnen das erspart bleiben wird.«
    Sie nahm seinen Regenmantel vom Haken an der Tür und warf ihn über den Stuhl neben dem Schreibtisch. Er legte seinen Stift weg und schaute zu ihr auf. Was sie dann tat, überraschte sie beide. Fast von selbst schien ihre Hand über seine Wange zu streichen, wie bei einem kleinen Kind, das sich sehr weh getan hat.
    »Geht es Ihnen gut, Herr Professor?«
    Er drehte sich abrupt weg und blickte wieder in sein Manuskript. »Ja, es geht mir gut«, antwortete er. In seiner Stimme lag ein gereizter Ton, den sie so nie zuvor gehört hatte.
    Dann murmelte er etwas, das wie »so gut wie noch nie« klang.
    Sie wandte sich um und ging zur Tür. »Machen Sie sich ein schönes Wochenende«, sagte sie.
    »Danke, das werde ich.«
    »Auf Wiedersehen, Professor Vicary.«
    »Auf Wiedersehen, Miss Walford.«
    Es war ein warmer Abend, und als er den Leicester Square überquerte, hatte er den Regenmantel ausgezogen und über den Arm gelegt. Die Dunkelheit brach herein, und die ersten Lichter gingen an. Unerhört von Miss Walford. Einfach so sein Gesicht zu streicheln. Er hatte immer angenommen, er könne seine Gefühle gut verbergen. Er fragte sich, ob es tatsächlich so offensichtlich war.
    Er ging durch den Hyde Park. Zu seiner Linken spielte eine Gruppe Amerikaner Softball im Dämmerlicht. Zur Rechten lieferten sich Briten und Kanadier ein lautstarkes Rugby-Match.
    Er gelangte zu der Stelle, wo noch vor wenigen Tagen eine Flakbatterie gestanden hatte. Das Geschütz war fort, nur die Sandsäcke lagen noch da, wie die Steine
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