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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel
Autoren: Daniel Silva
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sich gutgehen zu lassen. Etwas abseits von den Gästen, unten neben der Anlegestelle, konnte sie Billy, Jane und Walker im Gras sitzen sehen. Jane und Walker waren mehr als nur Freunde geworden.
    Sie hatten eine Romanze, und Jane sprach bereits vom Heiraten.
    Das wäre großartig, dachte Dorothy. Billy würde wieder eine richtige Familie bekommen.
    Irgendwie hatte all dies seine Richtigkeit. Die ganze Sache war zu einem Abschluß gekommen, den Dorothy als tröstlich empfand. Es war wieder warm geworden, und der Sommer stand vor der Tür. Bald würde die Theatersaison beginnen, und es würde wieder Partys geben. Das Leben geht weiter, dachte Dorothy. Margaret und Peter sind tot, aber das Leben geht weiter.

63
    Gloucestershire, England: September  1944

    Selbst Alfred Vicary war überrascht, wie schnell er aus dem aktiven Dienst ausscheiden konnte. Offiziell war er nur beurlaubt, bis das Ergebnis der internen Untersuchung vorlag.
    Doch er wußte, daß er in Wahrheit gefeuert war.
    Er hörte ausgerechnet auf Boothbys Rat und floh in Tante Matildas Haus - er würde sich nie daran gewöhnen, daß es nun ihm gehörte -, um sein inneres Gleichgewicht wiederzugewinnen. Die ersten Tage seines Exils waren fürchterlich. Er vermißte die Kameraden vom MI5. Er vermißte sein schäbiges kleines Büro. Ja, er stellte sogar fest, daß er sein Feldbett herbeisehnte, denn er hatte die Fähigkeit verloren, ruhig und fest zu schlafen. Er machte Matildas durchgelegenes Doppelbett dafür verantwortlich. Es war zu weich und bot ihm zuviel Platz, sich mit seinen quälenden Gedanken von einer Seite auf die andere zu wälzen. Einer Eingebung folgend, ging er in den Gemischtwarenladen im Dorf, erstand ein neues Feldbett und stellte es im Wohnzimmer neben dem Kamin auf.
    Ein merkwürdiger Platz, das war ihm klar, aber er hatte ohnehin nicht die Absicht, Gäste zu empfangen. Von da an schlief er wieder so gut, wie er in seiner Situation erwarten konnte.
    Er durchlebte eine lange, deprimierende Zeit der Untätigkeit und des Grübelns.
    Als jedoch der Frühling kam und mit ihm die Wärme wiederkehrte, konzentrierte er seine unbegrenzten, brachliegenden Kräfte auf sein neues Heim. Die Aufpasser, die ihn gelegentlich besuchten, sahen mit Schrecken, wie er mit seiner Lesebrille auf der Nase dem Garten mit einer Baumschere und einer Sichel zu Leibe rückte, und mit Verwunderung, wie er das Innere des Cottages neu strich. Die gewählte Farbe, ein strahlendes, anstaltsmäßiges Weiß, wurde eingehend kommentiert. Bedeutete sie, daß sich seine Stimmung gebessert hatte, oder verwandelte er sein Heim in ein Krankenhaus und richtete sich auf einen längeren Aufenthalt ein?
    Auch im Dorf war man besorgt. Poole, der Inhaber des Gemischtwarenladens, meinte, Vicary sei wegen eines Todesfalls verstört. »Unmöglich«, sagte Plenderleith, der Mann von der Gärtnerei, der Vicary bei der Gestaltung des Gartens beriet. »Er war offensichtlich nie verheiratet oder verliebt.«
    Miss Lazenby aus dem Bekleidungsgeschäft erklärte beide Ansichten für irrig. »Der arme Mann ist verliebt, das sieht doch jeder Narr. Aber nach seinem Aussehen zu urteilen, wird die Liebe von der Angebeteten nicht erwidert.«
    Vicary hätte diese Debatte nicht entscheiden können, auch wenn er von ihr gewußt hätte. Seine Gefühle waren ihm ebenso fremd wie den Leuten, die sie registrierten. Er bekam einen Brief vom Dekan seines Fachbereichs an der Universität. Der Dekan hatte gehört, daß Vicary nicht mehr für das Kriegsministerium arbeitete, und fragte nach, wann er zurückkomme. Vicary zerriß den Brief und verbrannte ihn im offenen Kamin.
    London hatte ihm nichts zu bieten außer schlechten Erinnerungen, also blieb er der Stadt fern. Nur einmal, an einem Morgen in der ersten Juniwoche, mußte er hinfahren, weil Sir Basil ihn zu sich bestellt hatte, um ihm das Ergebnis der internen Untersuchung mitzuteilen.
    »Hallo, Alfred«, rief er, als Vicary in sein Büro geführt wurde. Der Raum erstrahlte in einem angenehmen orangefarbenen Licht. Boothby hatte sich genau in der Mitte plaziert, als wolle er genügend Bewegungsfreiheit haben, um in alle Richtungen manövrieren zu können. Er trug einen tadellos geschnittenen grauen Anzug und wirkte größer, als Vicary ihn in Erinnerung hatte. Auf dem Sofa saß der Generaldirektor, die Finger wie zum Gebet aneinandergelegt und den Blick auf einen bestimmten Punkt des Perserteppichs geheftet. Boothby stieß die rechte Hand vor wie ein
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