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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld
Autoren: Anne Chaplet
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bemerkte sehr wohl, daß er sich mit dem Rücken zur Sonne aufgestellt hatte, in Wildwestmanier. Wie kindisch.
    Sie lächelte nachsichtig. »Hallo, Martin.«
    »Daß wir uns einmal wiedersehen würden …« Seine Stimme schnurrte.
    Er sah noch immer auf eine etwas schmierige Weise gut aus, sie fragte sich, ob er verheiratet war, Kinder hatte.
    »So lange ist das her.«
    Das klang beinahe sehnsüchtig. »Ziemlich genau 39 Jahre«, antwortete sie.
    »Ich dachte nicht an deine Fahnenflucht.« Martin lächelte. »Ich dachte an unsere – wie sollen wir es nennen? Unsere Begegnung?«
    Feinsinnige Umschreibung, dachte Mary. Für ein paar Nächte ohne Sex. »Bist du gekommen, um mit mir über die Vergangenheit zu plaudern?«
    »Aber ja!« Axt lachte und klatschte sich auf die Oberschenkel. »Nichts ist aufregender als die Vergangenheit, findest du nicht, Marie? Oder findest du das hier vielleicht spannend« – er schwenkte den Arm weltumgreifend von links nach rechts –, »diese ereignislose Gegenwart?«
    »Du meinst ein Leben ohne Macht und ohne Intrigen? Ohne operative Vorgänge, Zersetzungsaktionen und Freiheitsberaubung?« Sie steckte die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. »Dabei übst du doch längst wieder, wenn ich mich nicht irre.«
    Axt prustete vor Vergnügen. »Ganz die Alte. Immer noch schlagfertig und charmant. Und ganz und gar ohne Gefühl, stimmt’s, Marie?«
    »Meine Gefühle gehen dich gar nichts an, Martin. Ich möchte lediglich, daß du diese unwürdige Aktion beendest und Moritz und Gregor von Hartenfels freiläßt.«
    »Marie, Marie. Ich würde doch niemandem etwas zuleide tun, an dem dein Herz hängt.«
    »Und was war mit meinem Mann?«
    Axt tat so, als müsse er nachdenken. »Du meinst den Mann in England? Hieß er nicht wie so eine Art Sahneeis? Delight?« Er breitete die Hände aus und schüttelte den Kopf. »Er ist mit seiner alten Kiste davongerast wie von Furien gehetzt, dabei hatten wir ihn nur fragen wollen, wieso eine so zweifelhafte Gestalt wie Paul Grunau bei ihm zu Besuch war. Damals ahnten wir noch nicht, daß du dahinterstecktest. Typisch Mann. Meine schmalspurigen Leute sind gar nicht auf die Idee gekommen, sich die Ehefrau vorzunehmen. Sie haben Mrs Delight übersehen.«
    Mary ballte die Fäuste, bis ihr die Knöchel weh taten. Sie hatte es zwar geahnt, daß Martins Leute Henry zu Tode gejagt hatten, aber es zu wissen vertiefte den Schmerz.
    »Und Paul? Warum habt ihr nicht ihn gefragt?«
    Axt zog die Augenbrauen hoch und machte ein betrübtes Gesicht. »Sie haben ihn entwischen lassen. Ich bin ihm erst viel später wieder begegnet. Er hatte durchaus interessante Informationen, allerdings wußte er nicht, wo du wohnst. Und dann …« Er machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. »Einmal nicht aufgepaßt – und schon war’s passiert. Und das auch noch auf dem Zebrastreifen! In Lugano! Es war Fahrerflucht, natürlich.«
    »Und Bennys Tod war natürlich auch ein Unfall?« Unwillkürlich hatte Mary die Beine etwas auseinandergestellt und war leicht in die Knie gegangen, hatte die Hüften vorgeschoben.
    Axt riß die blauen Augen auf. »Wo denkst du hin? Wir mußten dir doch irgendwie die Dringlichkeit der Lage klarmachen! Was paßt da besser als eine frische Leiche, getauft mit einer halben Flasche Vol de Nuit ?«
    Ja, dachte Mary. Das paßt. Das paßt zu einem Menschen wie dir. Mit Narben auf der Haut und auf der Seele. Hinter seiner lächelnden Fassade sah sie ein anderes Gesicht, das verschreckte Gesicht eines Versteinerten.
    »Nimm es als einen kleinen Gruß an dich, Marie. Aber ich kenne dich ja. Mit einer Leiche allein kann man dir nicht kommen. Also haben wir zu Maßnahmen gegriffen, die dir deine Entscheidung leichtmachen sollten.«
    »Ich bin hier«, sagte Mary. »Was willst du noch?«
    »Das Geld natürlich.« Axt strahlte wie über einen guten Witz. »Benny hat im Winter 1990 vier braune DIN-A4-Umschläge in einem Schließfach der Scheuring-Bank in Berlin deponiert. Es soll sich um die Zugangsdaten zu den Konten handeln, auf die Paul Grunau das unterschlagene Geld verschoben hat. Den Schlüssel zu diesem Schließfach hat Paul dir damals mitgebracht. Den hätten wir gerne.« Er streckte die Hand aus.
    Mary rührte sich nicht. »Geld«, sagte sie. »Und was willst du damit? Mit 300 Millionen? Junge Frauen kaufen? Eine Privatarmee ausrüsten? Die Bundesregierung bestechen?«
    Martins Gesichtsausdruck verlor den falschen Überschwang. »Das überlaß mal mir,
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