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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld
Autoren: Anne Chaplet
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leise. »Mal was gehört von ihm?«
    »Er mußte ganz plötzlich verreisen«, sagte Katalina hastig. »Und ich muß weiter.«
    Tenharden nickte, als ob er verstünde. Aber er hatte die Augen zusammengekniffen und musterte sie, als ob er ihr nicht ganz glaubte.
    »Bis bald!« sagte sie.
    Bis zur Hasselfelder Straße begegnete ihr niemand mehr, nur die stadtbekannte Besitzerin von Gero, dem grauen Weimaraner, der eine dieser Sonnenbrillen für Hunde trug, die derzeit in Mode waren. Aber die Frau mit dem Faible für große Hüte war nicht von dieser Welt, die Begegnung ging mit einem Nicken und einem Lächeln ab. Dann lief sie mit Zeus den Weg zum Hotel hoch.
    Frau Willke empfing sie an der Rezeption. »Gut, daß Sie gekommen sind! Der Hund winselt schon die ganze Zeit, es tut richtig weh! Ich weiß gar nicht, was in sie gefahren ist, Frau Nowak läßt das Tier doch sonst nicht allein!«
    »Sie ist nicht da?«
    »Wahrscheinlich muß der arme Köter pinkeln.« Die Willke drehte sich um zum Schlüsselbrett. »Ich wollte mich nicht einmischen, aber wenn Sie … Ich meine, das ist doch Tierquälerei, oder?« Sie reichte ihr den Zimmerschlüssel. Zeus lief voraus, die Treppe hinauf.
    Vor der Tür zum Zimmer namens »Schloßblick« blieb er stehen und antwortete dem winselnden Tier dahinter. Als Katalina aufschloß, flog der schwarze Schäferhund ihr entgegen. Sie sah sich hastig im Zimmer um, eine Leine war nicht zu sehen, nur das Blindenhundgeschirr. Sie griff danach und rannte die Treppe wieder hinunter. Frau Willke stand an der geöffneten Eingangstür und murmelte: »Oje.« Lux hockte im Hof und erleichterte sich, Zeus mitfühlend an ihrer Seite.
    »Drehen Sie lieber mit dem Tier noch eine Runde, ich erledige das mit dem Hundehaufen schon«, sagte die Willke, als Katalina neben ihr stand, das Geschirr in der Hand. Während Lux sich von Zeus beschnüffeln ließ, betrachtete sie die feingearbeitete gelbweiße Lederweste, die auf der Schulter das Zeichen für »Blindenführhund« trug. Hinter den Schlaufen für Leine und Führbügel waren zwei Taschen eingenäht. In der rechten fand sie einen Ausweis mit Impfpaß. In der linken steckte etwas Hartes. Als sie aufsah, bemerkte sie Frau Willkes neugierigen Blick. »Ich weiß gar nicht, wie man so etwas anlegt«, sagte sie und tat hilflos.
    »Ich auch nicht«, antwortete Frau Willke und ging ins Haus, wahrscheinlich um das Kehrblech zu holen.
    Die beiden Hunde liefen schwanzwedelnd auf Katalina zu. Sie streifte Lux das Geschirr über, das ohne Leine keine rechte Funktion hatte, aber das Tier schien es gern zu tragen. Dann lief sie mit den beiden Hunden den Pfad zur Teufelsmauer hoch. Erst als sie außer Sichtweite waren, fuhr sie mit dem Finger in die Tasche des Ledergeschirrs, dort, wo sie vorhin den kleinen harten Gegenstand ertastet hatte. Es war das, was sie vermutet hatte. Ein seltsam geformter, nicht sehr großer Schlüssel.
    Er lag kühl in ihrer Hand, und einen Moment lang genoß sie die Vorstellung, ihn in weitem Bogen in das Gebüsch am Wegesrand zu werfen. Dann steckte sie ihn in die Hosentasche und ging weiter, den beiden Hunden hinterher. Es roch nach Herbst, und der bewegte Himmel über ihr wechselte die Farbe von grau zu noch ein wenig grauer. Unter ihr schlug die Turmuhr der Bartholomäuskirche. Dreimal. Viertel vor zwölf. Was hatte Gregor gestern gesagt? Sie treffen sich um zwölf, Mary und der Mann mit der Glatze. Der Entführer. Und sie hatte den Schlüssel. Sie konnte dem quälenden Spiel ein Ende machen.
    Katalina blieb stehen. Sie kannte den Zeitpunkt, aber nicht den Ort. Frau Willke? Die Frau wußte etwas, aber ob sie es ihr sagen würde? Unwahrscheinlich. Dennoch drehte sie sich um und lief wieder hinunter zum Hotel. Die Hunde umtanzten sie, als ob das alles ein riesiger Spaß wäre. Atemlos erreichte sie die Villa, stürmte durch die Eingangstür und lief die Stufen hinauf zur Rezeption.
    »Wo sind sie?« Katalina hörte ihr Blut rauschen, jeder Atemzug brannte.
    Frau Willke war nicht da, statt dessen saß ein blasser Mann am Empfang. »Am See im Schloßpark«, sagte er, »am Bootssteg.« Erst dann blickte er auf. »Aber an Ihrer Stelle würde ich …«
    Sie drehte ihm den Rücken zu und verließ das Hotel.
    Es war fünf Minuten vor zwölf.

7
    »Marie.«
    Martin Axt war schon da, als sie sich dem See im Schloßpark näherte. Er stand vor dem Bootssteg, die Arme ausgebreitet, als ob er sie mit sozialistischen Bruderküssen begrüßen wollte. Aber Mary
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