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Doppelbelichtung

Titel: Doppelbelichtung
Autoren: Judith McNaught
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Das weiß ich genau!«

3
    Irgendwie schaffte es Corey, bis nach ihrem sechzehnten Geburtstag den Eindruck zu erwecken, sie sei lediglich an einer unverbindlichen Freundschaft mit Spencer Addison interessiert. Bis dahin hielt sie sich angestrengt unter Kontrolle - zum Teil, weil sie befürchtete, ihn mit ihren Gefühlen zu verschrecken und vielleicht völlig zu verlieren, zum Teil, weil sich ihr bisher keine Chance für den Beweis geboten hatte, daß sie alt genug und mehr als bereit für eine romantische Beziehung mit ihm war.
    Diese Chance gewährte ihr das Schicksal in der Woche vor Weihnachten. Spencer war gekommen, um einen Arm voller Geschenke von seiner Großmutter für jeden der Fosters abzuliefern, hatte aber auch ein ganz besonderes von ihm für Corey dabei. Er blieb zum Abendessen und spielte später zwei Schachpartien mit ihrem Großvater. Dann, als die Familie sich zurückzog und er sich verabschieden wollte, bestand sie darauf, in seiner Gegenwart ihr Geschenk auszupacken. Mit bebenden Fingern schob sie das Seidenpapier in dem großen Karton beiseite und holte einen Band mit Bildern der fünf führenden Fotografen der Welt heraus. »Wie wundervoll, Spencer!« hauchte sie. »Vielen, vielen Dank! Ich werde mich nie davon trennen.«
    »Frohe Weihnacht, Corey«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
    »Spencer«, sprudelte sie los, »weißt du nicht, daß es Unglück bringt, die Festbräuche im Haus von Freunden zu mißachten?«
    Mit der Hand bereits auf der Haustürklinke, drehte er sich noch einmal um. »Tatsächlich?«
    Corey nickte heftig.
    »Welche Bräuche mißachte ich denn?«
    Statt einer Antwort blickte Corey beziehungsreich zu dem Mistelzweig unter dem Kronleuchter hinauf. Spencer folgte ihrem Blick und sah sie dann so skeptisch und zögernd an, daß Corey abrupt jeder Mut verließ.
    »Natürlich«, sagte sie hastig, »verlangt der Brauch nicht, daß du mich küßt. Du kannst jeden küssen, der hier im Haus lebt ... ein Dienstmädchen, Conchita, unsere Katze, meinen Hund ...«
    Lachend nahm er die Hand von der Türklinke. Aber anstatt sich vorzubeugen und sie auf die Wange zu küssen, wie sie gehofft hatte, sah er sie prüfend an. »Bist du auch ganz sicher, daß du alt genug für so etwas bist?«
    Corey verlor sich in seinen bernsteinfarbenen Augen, wie gebannt von etwas, das sie in ihren Tiefen aufschimmern sah. Ja, erwiderte sie unhörbar und flehte ihn ebenso unhörbar an, sie zu küssen. Ich weiß, daß ich alt genug bin. Ich warte schon seit einer Ewigkeit darauf. Sie wußte, daß die Antwort in ihren Augen lag. Sie wußte, daß er sie sah, und so lächelte sie andeutungsweise und sagte sehr leise und sehr bedacht: >>Nein.-« Es war ein instinktiver, wirkungsvoller Flirtversuch. Ebenso instinktiv erkannte er ihn - und erlag.
    Mit einem rauhen, verdutzten Auflachen umfaßte er ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger, schob sanft ihren Kopf zurück und küßte sie leicht auf die Lippen - nur ein einziges Mal. Der Kuß währte nur einen kurzen Moment, sehr viel länger dauerte es, bis er seine Hand von ihrem Kinn löste, und noch länger, bis sie die Augen wieder öffnete. >>Frohe Weihnacht, Duchesse«, sagte er leise.
    Als er die Haustür öffnete, wurde Corey von dem eisigen Luftzug getroffen. Als er sie hinter sich schloß, griff sie automatisch nach dem Schalter und knipste das Licht in der Halle aus. Dann blieb sie in der Dunkelheit stehen und erinnerte sich an die Zärtlichkeit, die sie nach dem Kuß in seiner Stimme gehört hatte. Zwei Jahre lang träumte sie nun schon von Spencer Addison, aber selbst in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich nicht vorgestellt, daß eine Stimme genauso erregend und liebkosend sein konnte wie ein Kuß. Der einzige Wermutstropfen in ihrem Glück war die Tatsache, daß Spencer über die Osterferien auf dem College bleiben wollte, um sich auf das Abschlußexamen vorzubereiten. Erst danach, im Juni, wollte er nach Houston zurückkommen.
    Corey beschloß, die Monate bis Juni ausgiebig zu nutzen, um ihre Kenntnisse des männlichen Verstandes- und Gefühlslebens zu erweitern, und verabredete sich aus diesem Grund mit einer ganzen Reihe von Jungen. Spencer war fast sechs Jahre älter als sie und unendlich erfahrener, und sie begann sich Sorgen darüber zu machen, daß ihr Mangel an Verabredungen ihm irgendwie unangenehm sein und davon abhalten könnte, sich intensiver mit ihr zu befassen.
    Da sie in der Schule sehr beliebt war, herrschte kein Mangel an Jungen, die
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