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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne
Autoren: Jo Nesbø
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denselben Gedanken kommen können.
    »Heureka!«, riefen sie. Denn »heureka« bedeutet, dass man etwas begriffen hat.
    Raspa schüttete Seifenpulver in die Badewanne und rührte fleißig um, Bulle hüpfte auf den Badewannenrand und machte sich zum Sprung bereit. Er rollte den Kopf hin und her, der Professor massierte ihm die Schultern, Lise beugte sich zu seinem Ohr vor und flüsterte mahnend:
    »Du konzentrierst dich also auf den Marktplatz von Rouen und auf den 13. Januar 1111. Da wird dieses Gefängnis gebaut. Wenn du dort bist, beschaffst du dir den Schlüssel zur Eisentür, lässt ihn von einem Schmied kopieren, bringst ihn den Maurern und überredest sie dazu, ihn unter einem Stein zu verstecken. Dann schreibst du das Datum in den Mörtel, bevor er fest geworden ist. Verstanden?«
    »Verstanden, verstanden«, sagte Bulle.
    »Beeil dich«, flüsterte Jeanne. Sie blickte zu dem Fensterchen empor, hinter dem das Flackern heftiger und das Knistern lauter geworden war.
    »Die Zeitseife ist bereit«, sagte Doktor Proktor. »Gute Reise! Und vergiss bloß nicht, hierher zurückzukommen...«Ersah auf die Uhr. »In zehn Sekunden, von jetzt an gerechnet, fünf vor elf Uhr abends. Mach hin!«
    »Moment«, sagte die Raspa, trat vor und reichte Bulle einen kleinen schwarzen Lederbeutel. »Damit dürfte es dir leichter fallen, die Maurer und den Schmied hilfsbereit zu stimmen.«
    »Danke«, sagte Bulle, steckte den Beutel in die Uniformtasche und schrie: »Bombaaa!!!«
    Das Seifenwasser spritzte bis zu den Gitterstäben empor.
    »Was war in dem Beutel, Raspa?«, fragte Doktor Proktor leise, ohne den Sekundenzeiger seiner Uhr aus den Augen zu lassen.
    »Ach, nur so eine Formel, die ich in der Freizeit erfunden habe«, sagte die Raspa. »Nämlich, wie man aus Schwefeldioxid, Silizium und Rührei Aurum herstellt.«
    »Aurum?«, fragte Lise.
    »Das ist Latein für Gold«, sagte Doktor Proktor. »Vier... drei... zwei... eins... null!«
    Alle miteinander starrten sie in den Seifenschaum. Nie mand sah etwas. Nichts geschah. Draußen stieg Jubel in die Nacht.
    »Irgendwas muss im Jahre 1111 schiefgelaufen sein«, saget die Raspa.
    Doktor Proktor flüsterte kaum hörbar: »Es ist zu spät, um ihn zu holen.«
    »Nicht aufgeben!«, sagte Lise. »Wetten, er kommt gleich?«
    Die Raspa schniefte. »Wie kommst du darauf?«
    »Weil er mein Freund ist und ich ihn kenne«, sagte Lise. »Er ist etwas vergesslich und kommt immer zu spät. Aber er kommt. So ist er eben.«
    »Oh nein!«, jammerte Jeanne. Sie drehten sich zu ihr um und folgten ihrem Blick zu dem Fenster weit oben an der Wand. Da sahen auch sie es: Eine hohe, klare Flamme zeichnete sich am Nachthimmel ab.
    Im selben Augenblick hörten sie das Wasser platschen und eine Stimme, die gebieterisch verkündete: »Keine zehn Pferde kriegen mich jemals wieder nach 1111!«
    »Bulle!«, rief Lise.
    »Das Essen schmeckt widerlich, die Betten sind voller Stroh und Lumpen, alle haben den Mund voller verfaulter Zähne und nirgends ist ein Fernseher aufzutreiben!« Auf dem Rand der Badewanne stehend, blickte der rothaarige Junge sie mit triumphierender Miene an.
    »Mach schnell«, sagte Doktor Proktor. »Warum hat das so lange gedauert?«
    »Tut mir leid«, sagte Bulle und sprang auf den Boden, »aber alle Schmiede der Stadt waren an der Pest gestorben, also musste ich in die nächste Stadt reiten. Auf dem Rückweg starb mein Pferd auch an der Pest und ich musste den restlichen Weg zu Fuß gehen. Und dann waren alle Maurer ebenfalls krepiert, also musste ich selbst mauern. Und zwar genau...«
    Er hatte den Säbel aus der Scheide gezogen und stach ihn kraftvoll in den Mörtel zwischen zwei Steinen.
    ». . . hier!«
    Er rüttelte mit der Klinge des Säbels, dass kleine Steinchen nur so stoben, steckte die Finger unter den Stein, zog ihn heraus und griff den Schlüssel, der darunter lag. Eilig lief er zur Eisentür, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum.
    Das heißt, er versuchte, ihn herumzudrehen. Aber der Schlüssel wollte nicht.
    »Verflixte Kiste!«, rief Bulle.
    Hinter ihm trat der Professor vor Ungeduld von einem Bein aufs andere. »Was ist?«
    »Hm.« Raspa hatte sich zu dem Schloss vorgebeugt. »Ich fürchte, seit 1111 ist das Schloss ausgetauscht worden. Viel Gemaure ohne Nutzen.«
    »Oh nein«, meinte Jeanne. Zum dritten oder vierten Mal jetzt, dachte Lise ein wenig überdrüssig.
    »Verloren.« Der Professor sank auf die Knie. »Oh weh und jemine.«
    »Ja, oh weh und
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