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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne
Autoren: Jo Nesbø
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wenn ihr ihnen mit diesem Märchen kommt.«
    »Mach dir darum keine Sorgen, Jeanne«, sagte Doktor Proktor. »Erzähl einfach, was bis jetzt passiert ist.«
    »Ich war davon aufgewacht, dass die Eisentür geöffnet wurde. Und in demselben Moment stellte ich fest, dass über mir eine Badewanne gelandet war. Dann stand in der Badewanne jemand auf. Die Wachen schrien herum, zerrten eine Frau aus der Badewanne und nahmen sie mit. Die Tür flog zu und ich war wieder allein. Ich... ich...«Ihr Blick ging nervös flatternd zwischen Lise, Bulle und dem Professor hin und her. ». . . vielleicht dachten sie im Dunkeln, diese Frau wäre ich.«
    »Oh nein«, sagte Lise. »Meinst du...«
    ». . . sie haben meine geliebte Juliette abgeholt...«, fuhr der entsetzte Doktor Proktor fort.
    ». . . um sie auf dem Scheiterhaufen zu grillen wie ein Spanferkel?«, rief Bulle.
    Das Mädchen nickte. »Gleich hier draußen auf dem Platz. Es tut mir so leid...«
    In dem Moment begriffen die anderen es. Der flackernde Lichtschein von draußen kam nicht vom Mond und das knisternde Geräusch nicht von einem Feuerwerk. Es war ein brennender Scheiterhaufen.
    »Nein!« Doktor Proktor fiel auf die Knie. »Nein!«
    Lange Fingernägel bohrten sich in Bulles Oberarm und er wurde hochgehoben. Auf dem Gesicht spürte er Raspas tödlichen Atem. »Hoch in den Ausguck mit dir, Napoleon!«
    Und schon stand er auf Raspas Schultern vor dem Fensterchen.

    »Ui«, sagte Bulle. »Ui, ui.«
    »Was siehst du?«, rief Lise ungeduldig. »Los, sag schon!«
    »Na gut«, sagte Bulle. »Wir sind jetzt direkt auf Sendung vom Markplatz von Rouen. Das Publikum ist bereit, die Mannschaften stehen an den Startblöcken. Und alle haben tatsächlich unglaublich dämliche Pottfrisuren. Die hiesige Mannschaft ist als Priester gekleidet, hält Kreuze und große Kruzifixe in der Hand und murmelt Kampfrufe aus einem dicken Buch, wahrscheinlich der Bibel. Die Gastmannschaft, nur eine einzige Person, nämlich Juliette Margarine, ist an einen Pfahl gebunden und von Reisig-und Holzbündeln umgeben, die gerade in Brand gesetzt wurden. Ringsum brennt eine Menge Fackeln. Leider scheint die Heimmannschaft ganz klar im Vorteil zu sein. Die Zeit ist knapp...«
    »Oh nein!«, rief Jeanne. »Ich sollte eigentlich jetzt dort stehen, ich bin die Hexe, nicht die Ärmste!«
    Bulle sprang von Raspas Schultern, zog sich die Uniform zurecht, legte die Hand an den Säbelschaft und verkündete laut: »Niemand wird hier verbrannt, liebe Jeanne. Sergeant Bulle ist zur Stelle, er wird uns alle hier rausholen und Juliette retten. Erst mal checken wir sämtliche Mauersteine...«
    »Warum denn das?«, fragten alle anderen nahezu perfekt vierstimmig.
    »Klare Sache«, sagte Bulle, der bereits die Wand mit den Fingern abtastete. »In solchen Kerkerwänden liegt immer irgendwo ein Schlüssel oder ein Dietrich hinter einem losen Stein. Habt ihr noch nie Gefängnisfilme gesehen? Man muss nur den richtigen Stein finden.«
    »Pah«, machte Lise, ließ aber dennoch den Blick über die Wand wandern, auf der Suche nach einem geeigneten Stein.
    »Hier!«, rief Bulle. »Da hat jemand etwas in den Mörtel gekratzt!«
    Die andern sprangen zu ihm. Und in dem spärlichen Lichtschein sahen sie, dass tatsächlich ein Datum in eine Mörtelfuge eingekratzt war.

    »Das hat sicher ein Gefangener da eingeritzt«, sagte Bulle und stieß die Steine rings um die Inschrift an. Doch nein, sie saßen alle unverrückbar fest.
    »Nein, kein Gefangener«, sagte Doktor Proktor. »Sieh mal, was passiert, wenn du am Mörtel kratzt.« Mit seinem Taschenmesser ritzte er ein Gesicht mit Augen, Mund und Schnauzbart in den Mörtel.
    »Seht ihr, die Konturen werden scharf, die Ritze ungleichmäßig. Aber die Buchstaben hier sind abgerundet, gleichmäßig tief. Sie sind in den feuchten Mörtel geschrieben worden, also von jemandem, der im Jahre 1111 an der Erbauung des Gefängnisses mitgewirkt hat.«
    »Seltsam«, sagte Lise.
    Alle drehten sich zu ihr um.
    »Ich kenne nur einen, der Zahlen und Buchstaben mit Augen und Nasen malt«, sagte sie. »Und zwar Bulle.«
    Alle drehten sich zu ihm um.
    »Wie denn?«, fragte Bulle. »Ich war doch 1111 noch gar nicht auf der Welt.«
    »Heureka!«, rief der Professor.
    Alle drehten sich zu ihm um.
    »Trotzdem, du hast die Nachricht geschrieben«, sagte der Doktor. »Du warst im Jahre 1111 dort! Nur warst du bis jetzt noch nicht dort!«
    Und es ist doch seltsam, wie zwei, drei, vier Gehirne auf einmal auf
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