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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
Autoren: Jo Nesboe
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Schnee, der hinter seinen Brillengläsern pappte, mit einem Finger weg. »So …«
    Galvanius blinzelte benommen und errötete, als er sie sah. »Oh, hallo, Frau Strobe! Hick!«
    »Was für ein Spektakel«, sagte Lise zu Bulle, der natürlich als Erster und so schnell am Ort des Geschehens gewesen war, dass er von dem Pulverschnee bedeckt war, den Gregor Galvanius bei der Kollision aufgewirbelt hatte.
    Bulle antwortete nicht, er starrte die Kanonenstraße hinunter.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Lise.
    »Ich habe da unten etwas gesehen, als ich hier ankam. Der Pulverschnee hat sich daraufgelegt.«
    »Worauf gelegt?«
    »Das weiß ich eben nicht. Als der Schnee schmolz, war es nicht mehr zu sehen.«
    Lise seufzte. »Wir müssen dringend etwas gegen deine überbordende Fantasie unternehmen, Bulle. Vielleicht kann Doktor Proktor ja etwas Einbildungsdämpfendes erfinden.«
    Bulle blinzelte den Schnee von den Wimpern und griff nach ihrer Hand. »Komm!«
    »Bulle …«
    »Komm!«, wiederholte Bulle und zog den Reißverschluss seiner Steppjacke hoch.
    »Aber wir haben Unterricht!«
    Das bekam Bulle schon nicht mehr mit. Er war mit einem Kopfsprung in den Tiefschnee gehüpft und rutschte auf dem Bauch das steile Gefälle zu dem vereisten Bach hinunter.
    »Bulle!«, protestierte Lise und stapfte hinterher. »Es ist verboten, unten zum Bach zu gehen!«
    Bulle, der wieder aufrecht stand, zeigte triumphierend auf etwas im Schnee.
    »Was ist das?«, fragte Lise und kam näher.
    »Spuren«, sagte Bulle. »Fußabdrücke.«
    Lise schaute auf das, was ganz richtig tiefe Fußspuren im Schnee waren. Sie führten weiter aufs Eis, auf dem nur eine dünne Schneeschicht lag.
    »Da ist jemand über den Bach gegangen«, sagte Lise. »Ja und?«
    »Guck dir die Abdrücke doch mal genauer an«, sagte Bulle. »Von einem Tier stammen die jedenfalls nicht. Anderer Meinung?«

    Lise ging alle Tierspuren durch, die sie in Naturkunde durchgenommen hatten. Pfoten, Klauen, Krähenfüße. Das hier ähnelte nichts, was sie kannte. Also nickte sie, um Bulle zu signalisieren, dass sie seiner Meinung war.
    »Und Schuh- oder Stiefelabdrücke sind das auch nicht«, sagte Bulle. »Sehr mysteriös …«
    Er folgte den Spuren aufs Eis.
    »Warte«, sagte Lise. »Was, wenn das Eis nicht …«
    Aber Bulle hörte nicht zu. Erst, als er sicher auf der gegenüberliegenden Seite angekommen war, drehte er sich um.
    »Kommst du?«
    »Auch wenn das Eis dich trägt, könnte es gut sein, dass es zu dünn für mich ist«, flüsterte Lise, die befürchtete, dass Frau Strobe sie vom Schulhof aus sehen konnte.
    »Hä?«, rief Bulle.
    Lise zeigte auf das Eis.
    Bulle antwortete, indem er sich an den Kopf tippte. »Streng dein Erdnusshirn ein bisschen an! Sieh dir die Spuren doch mal an! Derjenige, der hier übers Eis gegangen ist, ist auf alle Fälle größer und schwerer als du und ich zusammen!«
    Lise hasste es, wenn Bulle so tat, als wäre er cleverer als sie. Sie stampfte ein paarmal wütend im Schnee auf. Was wohl der Kommandantenpapa – und schlimmer noch, ihre Kommandantenmama – dazu sagen würden, wenn sie mit einem blauen Brief von Frau Strobe nach Hause kam. Eigentlich widerstrebte ihr das Ganze. Aber dann ging sie doch über das Eis. So ist das eben, wenn man dummer- und zufälligerweise die beste Freundin eines Jungen wie Bulle ist.
    Die Spuren führten in einem großen Bogen um den Haselnusshain herum – der im Grunde genommen nicht mehr als eine bescheidene Ansammlung netter kleiner Bäume war –, über die Haselnussbrücke, zurück zum Schulhof und die Treppe zur Turnhalle hinauf. Sie öffneten die Tür und gingen hinein.
    »Guck mal«, sagte Bulle und zeigte auf die nassen Spuren auf dem Boden. Je weiter sie den Spuren durch den Flur, die Umkleideräume und schließlich in die Halle folgten, desto undeutlicher wurden sie. Am Ende standen sie in der leeren Halle vor dem letzten feuchten Abdruckrest. Danach kam nichts mehr. »Hier hatte es wieder trockene Füße«, sagte Bulle und schnupperte.
    »Was für ein Es?« , fragte Lise und warf einen Blick zu der Fahne der schuleigenen Blaskapelle, die an der Wand hinter den Matratzen und dem alten Seitpferd stand. Hier drinnen übte die Schulkapelle, in der Bulle und sie selber spielten. Der Name der Kapelle war mit gelber Schrift auf blauen Untergrund gestickt: DØLGEN BLASKAPELE.

    Bulle ging Richtung Ausgang und Lise wieselte hinter ihm her. Sie war zwar ein intelligentes und mutiges Mädchen, das auf keinen Fall
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