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Doktor Proktor im Goldrausch

Doktor Proktor im Goldrausch

Titel: Doktor Proktor im Goldrausch
Autoren: Jo Nesbø
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ertönte aus Norwegens tiefstem Kellergewölbe ein verzweifelter Schrei. Und exakt zwei Sekunden später flüsterte der Bankchef seinem Vizebankchef zu: »Kein Wort darüber, zu niemandem, verstanden? Wir dürfen jetzt keine Panik auslösen.«
    »Aber… aber nächste Woche Montag ist die Inspektion der Goldvorräte!«, entgegnete der Vizebankchef aufgelöst. »Was wird jetzt aus uns? Was wird aus unserem geliebten Norwegen?«
    »Überlass das mir«, sagte der Bankchef Tor.
    »Und was willst du tun?«
    Bankchef Tor dachte eine ganze Weile nach. »Panik kriegen!«, antwortete er.
    Dann schrien beide los.
    Es war neun Uhr und der König lag wie üblich in seinem Bett und sah sich im Fernsehen die Sportschau an. Der Reporter rückte seine Brille zurecht und sagte, es gäbe Gerüchte, dass der Besitzer von Chelchester City, Maximov Rublov, noch vor dem Cupfinale seine Finger nach Ibranaldovez ausstrecke, dem derzeit teuersten, besten und verwöhntesten aller Fußballspieler. In Wirklichkeit aber konnte sich Rublov das gar nicht leisten. Er war zwar der reichste Mann der Welt – neben Finnland und Neuseeland besaß er achtzehn Fabriken mit dicken Rauchschwaden und dünnen Kinderarbeitern, vierundzwanzig Politiker, das Stadion von Chelchester, vier Sänftenträger und ein gestohlenes Fahrrad mit vierundzwanzig Gängen –, aber all das nützte ihm gar nichts, wussten doch alle, dass niemand so viel Geld besaß, um sich Ibranaldovez leisten zu können. Die Letzten, die das versucht hatten, haben 1900 Millionen Pfund geboten, plus Tadschikistan, drei Flugzeugträger, ein frisch gewaschenes Hochhaus und zwei gebrauchte Propellermaschinen. Als sie eine Absage bekamen, legten sie noch die Dominikanische Republik, die Rathausstraße, drei fette Reiseschecks und die Insel von Königin Maud drauf – ohne Königin Maud überhaupt gefragt zu haben. Die Antwort war trotzdem ein rüdes »Nein!«.
    »Eure Hoheit«, sagte der Diener, der in der Türöffnung stand. »Der Chef der Norwegischen Nationalbank ist hier, er bittet um…«
    »Schick ihn rein«, sagte der König, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
    Der Bankchef stürmte herein. »Es ist so schrecklich!«
    »Ja«, sagte der König. »Das viele Geld.«
    Der Bankchef starrte den König überrascht an. »Dann habt Ihr es schon gehört?«
    »Ja, natürlich, es kam gerade im Fernsehen. Dabei braucht Rublov Ibranaldovez doch eigentlich gar nicht zu kaufen, um Rotten Ham zu schlagen, diese bitterarme Mannschaft aus der vierten Division.«
    »Ähm, also, ich rede eigentlich von dem Diebstahl.«
    »Welchem Diebstahl?«
    »Heute Nacht wurden unsere gesamten Goldvorräte gestohlen!«
    »Was sagst du da, Tor? Unsere gesamten… Na ja, eigentlich war ja nur noch ein Barren da. Haben wir eine Diebstahlversicherung?«
    »Ja, aber…«
    »Hoffentlich kein zu hoher Eigenanteil?«
    »Nein, aber…«
    »Dann denke ich, dass du das der Polizei melden solltest, statt mich mitten in der Sportschau zu stören.«
    »Aber, aber, das können wir doch nicht machen. Das würde eine Massenpanik auslösen.«
    »Wieso das denn?«
    »Aus Angst vor einer Wirtschaftskrise.«
    Der König legte den Zeigefinger nachdenklich ans Kinn. »Hm, ich glaube, ich war erkältet, als wir auf der Königsschule Volkswirtschaft hatten.«
    »Die Menschen müssen glauben, dass all das Geld, das wir drucken, mit dem Gold abgesichert ist, das wir im Bankgewölbe haben. Das ist wichtig. Wenn sie spitzkriegen, dass da gar kein Gold mehr ist, wird eine Panik ausbrechen. Alle werden versuchen, ihr Geld gegen Gold einzutauschen und die norwegische Krone wäre im Handumdrehen nichts mehr wert. Dann wären wir bettelarm«, sagte der Bankchef.

    »So schlimm kann das doch nicht sein, wie bitterarm glaubst du denn?«
    »Was meint Ihr damit?«x
    »So arm wie Schweden zu werden, wäre schon übel, aber so schlimm wie in Ost-Österreich wird es doch wohl nicht werden, oder?«
    »Ost-Österreich?«
    »In West-Österreich soll es ja richtig gut laufen, während ich von Ost-Österreich gehört habe, dass es da Leute geben soll, die sich keinen Zweitwagen leisten können, ja nicht mal ein Ferienhaus in den Bergen. Und viele müssen mindestens acht Stunden am Tag arbeiten, um wenigstens einmal im Jahr nach Thailand reisen zu können.«
    »Ich fürchte, wir reden hier von einer deutlich schlimmeren Armut, Eure Hoheit.«
    »Was? Werde bitte ein bisschen konkreter!«
    »Äh… Rotten Ham?«
    »Großer Gott!« Der König schlug die Decke zur
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