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Ein Ring von Tiffany - Roman

Ein Ring von Tiffany - Roman

Titel: Ein Ring von Tiffany - Roman
Autoren: Lauren Weisberger Regina Rawlinson Martina Tichy
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Schlüpfer? Igitt!
    Als es bei Leigh an einem Montagabend um neun an der Tür klingelte, dachte sie nicht Hey, wer mag das wohl sein? , sondern Scheiße, lasst mich in Frieden . Gab es tatsächlich Leute, die sich über unangekündigten Besuch freuten, der mal kurz hereinschneite, um hallo zu sagen oder die Lage zu peilen? Doch wohl höchstens Eremiten. Oder die gemütlichen Landeier aus dem Mittleren Westen, die sie aus Big Love kannte, von denen ihr aber noch nie einer persönlich über den Weg gelaufen war. Ja, solche Leute wären vermutlich entzückt. Aber nicht Leigh! Sie betrachtete eine solche Invasion als Affront. Die Montagabende waren ihr heilig und für den Rest der Welt strengstens tabu. Dann wollte sie sich im Jogginganzug vor dem Fernseher räkeln und sich von der Model-Casting-Show Project Runaway eine aufgezeichnete Folge nach der anderen reinziehen. Es war die einzige Zeit in der Woche, die sie ganz für sich allein hatte, und nach ein paar strengen Übungslektionen ihrerseits hielten sich inzwischen alle daran: ihre Freundinnen, ihre Eltern und sogar Russell, ihr Lover.
    Die Mädels hatten es schon seit dem Ende der Neunzigerjahre aufgegeben, irgendwelche Unternehmungen für einen Montagabend vorzuschlagen. Russell, der am Anfang ihrer Beziehung noch lautstark protestiert hatte, fügte sich inzwischen zähneknirschend in sein Schicksal (und freute sich während der Footballsaison sogar darüber, dass er sich ungestört die Spiele ansehen konnte), und ihre Mutter überwand sich, einen Abend in der Woche nicht zum Telefon zu greifen, denn auch
sie hatte mittlerweile eingesehen, dass sie Leigh frühestens am nächsten Morgen an die Strippe bekommen würde, ganz egal, wie oft sie auch die Wahlwiederholungstaste drückte. Sogar Leighs Chef verzichtete darauf, ihr für den Montagabend ein Manuskript zum Lesen mitzugeben oder sie gar mit einem Anruf zu belästigen. Und genau deshalb war sie so entgeistert über das Klingeln an ihrer Tür - entgeistert und erschrocken.
    Wahrscheinlich war es der Hausmeister, der den Filter der Klimaanlage auswechseln wollte, oder der Lieferdienst von Hot Enchiladas, der eine Speisekarte abgeben wollte, irgendwem im Haus ein Essen brachte, oder - am allerwahrscheinlichsten - jemand, der sich in der Tür geirrt hatte. Sie schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung auf stumm und stellte sich tot. Wie ein Labrador legte sie lauschend den Kopf auf die Seite und horchte, ob sich der Eindringling wieder verzogen hatte, aber das Einzige, was sie hörte, war das ständige Poltern, das durch die Decke kam. Da Leigh laut ihrem ehemaligen Therapeuten an »Geräuschüberempfindlichkeit« litt, einem Zustand, der bei allen anderen Leuten höchstens unter den Begriff »neurotische Anstellerei« fiel, hatte sie genauestens überprüft, wer in Zukunft über ihr wohnen würde, bevor sie ihre gesamten Ersparnisse in den Kauf des Apartments steckte, auch wenn es bei Weitem das Beste war, das sie während ihrer anderthalbjährigen Wohnungssuche gefunden hatte. Sie musste unbedingt auf Nummer sicher gehen.
    Leigh hatte ihre Freundin Adriana über die Frau aus 17D ausgehorcht, aber die hatte nur einen Schmollmund gemacht und mit den Schultern gezuckt - obwohl sie schon seit fast zwanzig Jahren in dem Haus wohnte, nachdem ihre Eltern von São Paulo nach New York gezogen waren. Weil ihr die Devise ihrer Wahlheimat - leben und leben lassen - zur zweiten Natur geworden war, konnte sie Leigh nicht weiterhelfen. Der war zuletzt nichts anderes übrig geblieben, als dem Portier zwanzig Dollar zuzustecken und sich, zur Tarnung mit einem Manuskript
bewaffnet, an einem stürmischen Dezembersamstag wie James Bond in der Lobby auf die Lauer zu legen. Nach drei langen Stunden - sie kannte die Anekdote, die sie las, inzwischen auswendig - hüstelte der Portier vernehmlich und warf ihr über seine Brillengläser hinweg einen vielsagenden Blick zu. Vor den Briefkästen stand eine übergewichtige Frau in einem getupften Hauskleid, die einen Versandhauskatalog aus ihrem Fach nahm. Keinen Tag jünger als achtzig, dachte Leigh erleichtert und atmete auf. Dann brauchte sie also kein Gestöckel von Pfennigabsätzen auf dem Parkett zu befürchten, keine langen, lauten Partynächte, keine Flut von Besuchern, die sich die Klinke in die Hand gaben.
    Am nächsten Tag unterschrieb sie den Kaufvertrag, und zwei Monate später zog sie überglücklich in ihre tipptopp renovierte Zweiraumtraumwohnung ein, die eine neuwertige
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