Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
nicht weswegen,
    an einer Art von Mitgefühl.
    Da sah er Einen, der am Zaune
    versteckt und ohne Mantel stand.
    Dem drückte er, in Geberlaune,
    zehn Pfennig mitten in die Hand.
    Er fühlte sich enorm gehoben,
    als er darauf von dannen schritt,
    und blickte anspruchsvoll nach oben,
    als hoffe er, Gott schreibe mit.
    Jedoch der Mann, dem er den Groschen verehrte, wollte nichts in bar
    und hat ihn fürchterlich verdroschen!
    Warum? Weil er kein Bettler war.

Monolog mit verteilten Rollen
    Geht dein Fenster auch zum Hof hinaus?
    So ein Hof ist eine trübe Welt.
    Wo du hinsiehst, steht ein andres Haus.
    Und der Blick ist wie ein Wild umstellt.
    Und wie traurig wird das erst zur Nacht!
    Alle schlafen schon. Nur du schläfst nicht.
    Und der Hof umgibt dich wie ein Schacht.
    Und drei Sterne sind das ganze Licht.
    Dann geschieht es wohl, daß du erschrickst, wenn du, gegenüber, an der Wand,
    einen Schatten, der dir winkt, erblickst.
    Und du weichst zurück vor seiner Hand.
    Doch wenn du zurückgewichen bist,
    siehst du, daß auch er ins Dunkle trat.
    Bis du merkst, daß es dein Schatten ist, und du winktest selbst, wenn er es tat!
    Und nun lächelst du. Und nickst ihm zu.
    Beide Arme streckst du nach ihm aus.
    Und er macht es ganz genau wie du.
    Und sein Kopf ist größer als dein Haus.
    Einmal bist du hier und einmal dort.
    Und dir ist, als wärst du nicht allein.
    Und du wagst dich nicht vom Fenster fort.
    Denn dann würdst du wieder einsam sein.
    Und du freust dich an dem Schattenspiel.
    Und du wirst dem anderen fast gut.
    Aber endlich wird’s dir doch zuviel,
    da er immer nur, was du tust, tut.
    Keiner sah das nächtliche Duett,
    nur im Hofe der verdorrte Strauch …
    Und du gähnst betrübt. Und gehst ins Bett.
    Und der andre drüben auch.

Plädoyer einer Frau
    Du darfst mir das, was war, nicht übelnehmen.
    Ich sag es dir, obwohl du mich nicht fragst.
    Sieh mich dabei nicht an! Ich will mich schämen und tun, als ob die Toten wiederkämen.
    Ich glaube nicht, daß du mich dann noch magst.
    Ich will nicht sagen, daß ich mir verzeihe.
    Denn darauf kommt es im Moment nicht an.
    Ich wartete und kam nicht an die Reihe.
    Wer keinen Mann hat, hat auf einmal zweie!
    Doch fünf von diesen wären noch kein Mann.
    Man fühlt: man könnte Einem was bedeuten.
    Es ist nur traurig, daß es ihn nicht gibt.
    Und dann umarmt man sich mit fremden Leuten.
    Und wird zu einer von den vielen Bräuten, die sich nur lieben läßt und selbst nicht liebt.
    Die Zeit vergeht. Geduld ist keine Ware.
    Man sucht nicht mehr. Man findet ab und zu.
    Man sieht vom Fenster aus die Jagd der Jahre.
    Man wartet nicht mehr auf das Wunderbare.
    Und plötzlich kommt es doch! Denn nun kommst du!
    Was war, das bleibt. Wie soll ich mich erneuen?
    Mir wird ein Schmerz mit Nadeln zugenäht.
    Was war, das bleibt. Mann kann es nur bereuen.
    Nun bist du da. Nun sollte ich mich freuen!
    Ich bin nicht froh. Ist es denn schon zu spät?

Goldne Jugendzeit
    Wenn sie abends von der Arbeit kommen, fahren sie, so schnell es geht, nach Haus.
    Und sie sehen ziemlich mitgenommen
    und wie kleine kranke Kinder aus.
    Die Büros sind keine Puppenstuben.
    Die Fabriken sind kein Nadelwald.
    Und auch die modernsten Kohlengruben
    sind kein idealer Aufenthalt.
    Aber nicht nur müde sind sie, leider
    hat ihr Müdesein auch keinen Zweck.
    Vielmehr ziehn sie ihre Sonntagskleider heimlich an und laufen wieder weg.
    Und dann gehn sie irgendwohin tanzen.
    Ins »Orpheum« oder wie es heißt.
    Und sie treiben es im großen ganzen,
    mit und ohne Noten, ziemlich dreist!
    Später sitzen sie in Parks auf Bänken, und es ist aufs Haar wie einst im Mai.
    Weiter können sie sich ja nichts schenken!
    Und bis sie zu Hause sind, wird’s Drei.
    Einmal werden sie sich schon noch fügen.
    Wenn ihr Schicksal die Geduld verliert.
    Ach, sie glauben, daß man zum Vergnügen (noch dazu zum eignen) existiert.
    Sie sind jung und täuschen sich nach Kräften.
    6 Uhr 30, wenn der Wecker klirrt,
    in der Bahn und dann in den Geschäften merken sie: sie haben sich geirrt.
    Menschen werden niemals Schmetterlinge.
    Nektar ist, im besten Fall, ein Wort.
    Jung und froh sein, sind verschiedne Dinge.
    Und die Freude stirbt auf dem Transport.

Meyer IX. im Schnee
    Der Schnee hängt wie kandiertes Obst im Wald.
    Es war ganz gut, daß ich gleich gestern fuhr.
    Den Bäumen sind vielleicht die Füße kalt …
    Doch was weiß unsereins von der Natur.
    Der Schnee, das könnte klarer Zucker sein.
    Als Kind hat man oft ähnliches
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher