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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
Autoren: Erich Kästner
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Endstation der Lebensreise
    ist nicht mehr weit.
    Gestern trug man Kinderschuhe.
    Heute sitzt man hier vorm Haus.
    Morgen fährt man zur ewigen Ruhe
    ins Jenseits hinaus.
    Ach, so ein Leben ist rasch vergangen, wie lang es auch sei.
    Hat es nicht eben erst angefangen?
    Schon ist’s vorbei.
    Die sich hier zur Ruhe setzten,
    wissen vor allem das Eine:
    Das ist die letzte Station vor der letzten.
    Dazwischen liegt keine.

Sachliche Romanze
    Als sie einander acht Jahre kannten
    (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
    Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
    Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei,
    und sahen sich an und wußten nicht weiter.
    Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.
    Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
    Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. -
    Nebenan übte ein Mensch Klavier.
    Sie gingen ins kleinste Café am Ort
    und rührten in ihren Tassen.
    Am Abend saßen sie immer noch dort.
    Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.

Jardin du Luxembourg
    Dieser Park liegt dicht beim Paradies.
    Und die Blumen blühn, als wüßten sie’s.
    Kleine Knaben treiben große Reifen.
    Kleine Mädchen tragen große Schleifen.
    Was sie rufen, läßt sich schwer begreifen.
    Denn die Stadt ist fremd. Und heißt Paris.
    Alle Leute, auch die ernsten Herrn,
    spüren hier: Die Erde ist ein Stern.
    Und die Kinder haben hübsche Namen
    und sind fast so schön wie auf Reklamen.
    Selbst die Steinfiguren, meistens Damen, lächelten (wenn sie nur dürften) gern.
    Lärm und Jubel weht an uns vorbei.
    Wie Musik. Und ist doch nur Geschrei.
    Bälle hüpfen fort, weil sie erschrecken.
    Ein fideles Hündchen läßt sich necken.
    Kleine Neger müssen sich verstecken,
    und die andern sind die Polizei.
    Mütter lesen. Oder träumen sie?
    Und sie fahren hoch, wenn jemand schrie.
    Schlanke Fräuleins kommen auf den Wegen und sind jung und blicken sehr verlegen und benommen auf den Kindersegen.
    Und dann fürchten sie sich irgendwie.

Traurigkeit, die jeder kennt
    Man weiß von vornherein, wie es verläuft.
    Vor morgen früh wird man bestimmt nicht munter.
    Und wenn man sich auch noch so sehr besäuft, die Bitterkeit, die spült man nicht hinunter.
    Die Trauer kommt und geht ganz ohne Grund.
    Und man ist angefüllt mit nichts als Leere.
    Man ist nicht krank. Und ist auch nicht gesund.
    Es ist, als ob die Seele unwohl wäre.
    Man will allein sein. Und auch wieder nicht.
    Man hebt die Hand und möchte sich verprügeln.
    Vorm Spiegel denkt man: »Das ist dein Gesicht?«
    Ach, solche Falten kann kein Schneider bügeln!
    Vielleicht hat man sich das Gemüt verrenkt?
    Die Sterne ähneln plötzlich Sommersprossen.
    Man ist nicht krank. Man fühlt sich nur gekränkt.
    Und hält, was es auch sei, für ausgeschlossen.
    Man möchte fort und findet kein Versteck.
    Es wäre denn, man ließe sich begraben.
    Wohin man blickt, entsteht ein dunkler Fleck.
    Man möchte tot sein. Oder Urlaub haben.
    Man weiß, die Trauer ist sehr bald behoben.
    Sie schwand noch jedesmal, so oft sie kam.
    Mal ist man unten, und mal ist man oben.
    Die Seelen werden immer wieder zahm.
    Der eine nickt und sagt: »So ist das Leben.«
    Der andre schüttelt seinen Kopf und weint.
    Die Welt ist rund, und wir sind schlank daneben.
    Ist das ein Trost? So war es nicht gemeint.

Sogenannte Klassefrauen
    Sind sie nicht pfuiteuflisch anzuschauen?
    Plötzlich färben sich die Klassefrauen, weil es Mode ist, die Nägel rot!
    Wenn es Mode wird, sie abzukauen
    oder mit dem Hammer blauzuhauen,
    tun sie’s auch. Und freuen sich halbtot.
    Wenn es Mode wird, die Brust zu färben, oder falls man die nicht hat, den Bauch …
    Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben oder sich die Hände gelbzugerben,
    bis sie Handschuhn ähneln, tun sie’s auch.
    Wenn es Mode wird, sich schwarzzuschmieren.
    Wenn verrückte Gänse in Paris
    sich die Haut wie Chinakrepp plissieren …
    Wenn es Mode wird, auf allen Vieren
    durch die Stadt zu kriechen, machen sie’s.
    Wenn es gälte, Volapük zu lernen
    und die Nasenlöcher zuzunähn
    und die Schädeldecke zu entfernen
    und das Bein zu heben an Laternen, -
    morgen könnten wir’s bei ihnen sehn.
    Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln immer auf den ersten besten Mist.
    Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln!
    Und sie sind auf keine Art zu zügeln,
    wenn sie hören, daß was Mode
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