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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
Autoren: Erich Kästner
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für den Hausgebrauch.

Die Wälder schweigen
    Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
    Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
    Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
    Man zählt die Tage. Und nun zählt die Gelder.
    Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.
    Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
    Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
    Man träumt von Ackern und von Pferdeställen.
    Man träumt von grünen Teichen und Forellen.
    Und möchte in die Stille zu Besuch.
    Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
    Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um.
    Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
    Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.
    Man flieht aus den Büros und den Fabriken.
    Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!
    Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken, wird man gesund.

Tagebuch eines Herzkranken
    Der erste Doktor sagte:
    »Ihr Herz ist nach links erweitert.«
    Der zweite Doktor klagte:
    »Ihr Herz ist nach rechts verbreitert.«
    Der dritte machte ein ernstes Gesicht
    und sprach: »Herzerweiterung haben Sie nicht.«
    Na ja.
    Der vierte Doktor klagte:
    »Die Herzklappen sind auf dem Hund.«
    Der fünfte Doktor sagte:
    »Die Klappen sind völlig gesund.«
    Der sechste machte die Augen groß
    und sprach: »Sie leiden an Herzspitzenstoß.«
    Na ja.
    Der siebente Doktor klagte:
    »Die Herzkonfiguration ist mitral.«
    Der achte Doktor sagte:
    »Ihr Röntgenbild ist durchaus normal.«
    Der neunte Doktor staunte und sprach:
    »Ihr Herz geht dreiviertel Stunde nach.«
    Na ja.
    Was nun der zehnte Doktor spricht,
    das kann ich leider nicht sagen,
    denn bei dem zehnten, da war ich noch nicht.
    Ich werde ihn nächstens fragen.
    Neun Diagnosen sind vielleicht schlecht, aber die zehnte hat sicher recht.
    Na ja.

Stehgeigers Leiden
    Ach, wie gern läg ich in meinem Bette!
    Nacht für Nacht schläft Hildegard allein.
    Wenn mein Fiedelbogen Zähne hätte,
    sägte ich die Geige kurz und klein.
    Keinen Abend weiß ich, was sie treibt.
    Jeden Abend steh ich hier und spiele.
    Ob sie, wie sie sagt, zu Hause bleibt?
    Schlechte Frauen gibt es ziemlich viele.
    Gräßlich haut der Krause aufs Klavier.
    Wie sie staunten, wenn ich plötzlich ginge!
    Keine Angst, Herr Wirt, ich bleibe hier, geige mir den Buckel schief und singe:
    »Die deutschen Mädchen sind die schönsten.
    Hipp hipp hurra, hipp hipp hurra!
    Denn bei den blonden deutschen Mädchen ist alles da, ist alles da!«
    Ich trau ihr nicht. Sie lügt. Ich habe Proben.
    Ach, wenn sie lügt, sieht sie so ehrlich aus.
    Wie im Gefängnis stehe ich hier oben.
    Ich muß verdienen und darf nicht nach Haus.
    Eines Tages pack ich meine Geige,
    denn sie ist mein einziges Gepäck.
    Krause spielt Klavier. Ich aber steige schnell vom Podium und laufe weg.
    Und die Gäste und der Wirt und Krause
    werden schweigen, bis ich draußen bin.
    Und dann seh ich: Sie ist nicht zu Hause!
    Und wo gehe ich dann hin?

Hamlets Geist
    Gustav Renner war bestimmt die beste
    Kraft im Toggenburger Stadttheater.
    Alle kannten seine weiße Weste.
    Alle kannten ihn als Heldenvater.
    Alle lobten ihn, sogar die Kenner.
    Und die Damen fanden ihn sogar noch schlank.
    Schade war nur, daß sich Gustav Renner, wenn er Geld besaß, enorm betrank.
    Eines Abends, als man »Hamlet« gab,
    spielte er den Geist von Hamlets Vater.
    Ach, er kam betrunken aus dem Grab!
    Und was man nur Dummes tun kann, tat er.
    Hamlet war aufs äußerste bestürzt.
    Denn der Geist fiel gänzlich aus der Rolle.
    Und die Szene wurde abgekürzt.
    Renner fragte, was man von ihm wolle.
    Man versuchte hinter den Kulissen
    ihn von seinem Rausche zu befrein,
    legte ihn langhin und gab ihm Kissen.
    Und dabei schlief Gustav Renner ein.
    Die Kollegen spielten nun exakt,
    weil er schlief und sie nicht länger störte.
    Doch er kam! Und zwar im nächsten Akt, wo er absolut nicht hingehörte!
    Seiner Gattin trat er auf den Fuß.
    Seinem Sohn zerbrach er das Florett.
    Und er tanzte mit Ophelia Blues.
    Und den König schmiß er ins Parkett.
    Alle zitterten und rissen aus.
    Doch dem Publikum war das egal.
    So etwas von donnerndem Applaus
    gab’s in Toggenburg zum ersten Mal.
    Und die meisten Toggenburger fanden:
    Endlich hätten sie das Stück verstanden.

Sentimentale Reise
    O verflucht, ist man alleine!
    Was man hört und sieht, ist fremd.
    Und im Stiefel hat man Steine.
    Und schon spürt man eine kleine
    Sehnsucht unterm
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