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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
Autoren: Erich Kästner
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Affen.

Sozusagen in der Fremde
    Er saß in der großen Stadt Berlin
    an einem kleinen Tisch.
    Die Stadt war groß, auch ohne ihn.
    Er war nicht nötig, wie es schien.
    Und rund um ihn war Plüsch.
    Die Leute saßen zum Greifen nah,
    und er war doch allein.
    Und in dem Spiegel, in den er sah,
    saßen sie alle noch einmal da,
    als müßte das so sein.
    Der Saal war blaß vor lauter Licht.
    Es roch nach Parfüm und Gebäck.
    Er blickte ernst von Gesicht zu Gesicht.
    Was er da sah, gefiel ihm nicht.
    Er schaute traurig weg.
    Er strich das weiße Tischtuch glatt.
    Und blickte in das Glas.
    Fast hatte er das Leben satt.
    Was wollte er in dieser Stadt,
    in der er einsam saß?
    Da stand er, in der Stadt Berlin,
    auf von dem kleinen Tisch!
    Keiner der Menschen kannte ihn.
    Da fing er an, den Hut zu ziehn..
    Not macht erfinderisch.

An ein Scheusal im Abendkleid
    Ich muß mich stets vor Ihnen bücken.
    Und trotzdem kennen wir uns nicht.
    Ich bück mich auch gar nicht vor Ihrem Gesicht, sondern vor Ihrem Rücken.
    Die Knochen und die Rippen ragen,
    ganz nackt und manchmal ohne Haut,
    so spitz heraus, daß es mir graut,
    die Augen davor aufzuschlagen.
    Hört Ihr Gerüst denn niemals auf?
    Und ohne Kleid! Die ganze Strecke!
    Tief unten biegt es endlich um die Ecke.
    Und welches Glück: Sie sitzen drauf.
    Sie sollten sich ein Jäckchen leisten.
    Sie sind ein Scheusal. Auch von vorn.
    Gott schlug Sie hart in seinem Zorn .
    Doch hinten schlug er Sie am meisten.
    Wer Ihre grünen Locken sieht,
    ist sich auch ohnedies im Klaren:
    Sie stehen in den besten Rückgangsjahren und haben nachts vergeblich Appetit.
    Ich bitte Sie, mir zu verzeihen.
    Man wird nicht schöner, wenn man älter wird.
    Wer andrer Ansicht ist, der irrt.
    Doch Sie war’n sicher schon als Kind zum Speien.
    Zieh dir was an, du alte Gans!
    Der ganze Saal sitzt voller Klimakterien.
    Und sowas gibt’s! Und sowas nennt sich: Ferien eines noch ziemlich jungen Manns.

Warnung vor Selbstmord
    Diesen Rat will ich dir geben:
    Wenn du zur Pistole greifst
    und den Kopf hinhältst und kneifst,
    kannst du was von mir erleben.
    Weißt wohl wieder mal geläufig,
    was die Professoren lehren?
    Daß die Guten selten wären
    und die Schweinehunde häufig?
    Ist die Walze wieder dran,
    daß es Arme gibt und Reiche?
    Mensch, ich böte deiner Leiche
    noch im Sarge Prügel an!
    Laß doch deine Neuigkeiten!
    Laß doch diesen alten Mist!
    Daß die Welt zum Schießen ist,
    wird kein Konfirmand bestreiten.
    War dein Plan nicht: irgendwie
    alle Menschen gut zu machen?
    Morgen wirst du drüber lachen.
    Aber, bessern kann man sie.
    Ja, die Bösen und Beschränkten
    sind die Meisten und die Stärkern.
    Aber spiel nicht den Gekränkten.
    Bleib am Leben, sie zu ärgern!

Sport
    Meldung vom Wettlauf durch die Lübecker Schweiz:
    »Die Läufer trainieren täglich zehn Stunden.
    Sie brauchen für 100 Meter zirka minus 14 Sekunden.
    Die Spitzengruppe ist heute morgen bereits im Jahre 1919 verschwunden!«

Er weiß nicht, ob er sie liebt
    Soll man sein Herz bestürmen: »Herz, sprich lauter!«
    da es auf einmal leise mit uns spricht?
    Einst sprach es laut zu uns. Das klang vertrauter.
    Nun flüstert’s nur. Und man versteht es nicht.
    Was will das Herz? Man denkt: wenn es das wüßte, dann wär es laut, damit man es versteht.
    Dann riefe es, bis man ihm folgen müßte!
    Was will das Herz, daß es so leise geht?
    Das Allerschönste, was sich Kinder wünschen, das wagt sich kaum aus ihrem Mund hervor.
    Das Allerschönste, was sich Kinder wünschen, das flüstern sie der Mutter bloß ins Ohr.
    Ist so das Herz, daß es sich schämt zu rufen?
    Will es das Schönste haben? Ruft es Nein?
    Man soll den Mächten, die das Herz erschufen, nicht dankbar sein.

Hinweis auf die Hände einer Waschfrau  
    Es gibt berühmtere Hände,
    und schönere gibt’s auch.
    Die Hände, die Sie hier sehen,
    sind für den Hausgebrauch.
    Sie kennen nicht Lack noch Feile.
    Sie spielten noch nie Klavier.
    Sie sind nicht zum Vergnügen,
    sondern zum Waschen hier.
    Sie waschen nicht nur einander,
    sie waschen mit großem Fleiß
    die Wäsche, die andere trugen,
    mühselig wieder weiß.
    Sie duften nicht nach Lavendel,
    sondern nach Lauge und Chlor.
    Sie wringen und rumpeln und schuften
    und fürchten sich nicht davor.
    Sie wurden rot und rissig.
    Sie wurden fühllos und rauh.
    Und wenn sie jemanden streicheln,
    streicheln sie ungenau.
    Es gibt berühmtere Hände,
    und schönere gibt’s auch.
    Die Hände, die Sie hier sehen,
    sind nur
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