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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen
Autoren: Richard Gordon
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verhutzeltes Männchen mit einem Schnurrbart, der durch ständigen Teekonsum verfärbt war, stand neben dem Chirurgen. «Ich bin Major Swiney, Vorsitzender der hiesigen Ratenzahler-Liga. Dort steht mein Grüppchen.» Eine Schar solid gekleideter Männer mittleren Alters umringte mit abweisender Miene ein Banner mit der Aufschrift: H ÄNDE WEG VON S PRATTS B OTTOM. «Ich bin ebenso menschenfreundlich wie jeder andre», erklärte Major Swiney ruhig. «Aber ich will verdammt sein, wenn ich Zusehen muß, wie die Herren in Whitehall - die es natürlich immer besser wissen — ein häßliches neues Krankenhaus mitten in unsere Häuser und Gärten hineinpflanzen. Krankenhäuser ziehen alle möglichen unerwünschten Leute an. Und Spratt’s Bottom ist für seine Atmosphäre berühmt.»
    «Sie wollen damit sagen, daß Sie Ihren Besitz nicht entwerten lassen wollen?» antwortete Sir Lancelot.
    «Na, was würden Sie dazu sagen», gab der Major zurück, «wenn Sie ein riesengroßes Hospital am Ende Ihres Rasens sehen müßten?»
    «Ich sehe es bereits. — Ja, und was wollen Sie?» Ein großer, blasser, ältlicher Mann mit weißem Haar, das seinen Kopf wie ein Nimbus umrahmte, und einem kleinen goldgefaßten Kneifer, der auf seiner scharfen Nase saß, stand vor ihm.
    «I-ch habe die ganze Nacht für Sie gebetet.»
    «Sehr anständig von Ihnen.»
    «Damit das Licht Sie erleuchte. Wir kommen vom Fiat Lux.»
    Sir Lancelot stöhnte laut. Jeder Mensch hierzulande kannte Fiat Lux; diese Leute ließen in einem schon Schuldgefühle aufkommen, wenn man nur eine komische Postkarte von der Küste erhielt. Es war eine gegen Pornographie, Prostitution und Trinken gerichtete Organisation, gegen Zeitvertreibe, die Sir Lancelot zwar nicht besonders erfreulich, aber auch nicht schädlich genug fand, um sich von der weißglühenden Empörung erhitzen zu lassen, an der die Mitglieder der Organisation sich wärmten.
    «Wir haben gebetet, daß dieses neue Hospital nie zustande kommen möge.»
    «Weshalb beteten Sie darum?» fragte Sir Lancelot erbittert.
    Der Mann deutete mit dem Finger entrüstet auf eine Tafel, die den Weg wies: G YNÄKOLOGIE.
    «Ein Wort aus elf Buchstaben», sagte Sir Lancelot, «das in unseren aufgeklärten Tagen im öffentlichen Gebrauch steht und sogar im Fernsehen vorkommt.»
    Der Mann zischte: «Ich buchstabiere es als . Sehen Sie sich das dort an.» Sein Finger stieß in eine andere Richtung. « Mich können Sie nicht täuschen, wissen Sie. Wir Männer und Frauen von Fiat Lux kennen uns in diesen Dingen aus. Das heißt , nicht wahr? Geben Sie’s nur ruhig zu. Dafür werden heutzutage alle Hospitäler benützt.» Seine Empörung wäre auf Auschwitz anwendbar gewesen. «Um die Verkommenheit der Gesellschaft zu übertünchen. Und dann natürlich auch die Euthanasie. Wir brauchen nicht mehr Krankenhäuser, mein Freund, sondern weniger. Krankenhäuser, von frommen Leuten betrieben, die das wahre Leiden dieser Welt betreuen, das heiligend und läuternd ist.»
    «Leute wie Sie waren im vergangenen Jahrhundert eifrige Chloroformgegner», sagte Sir Lancelot zornig. «Sie gingen herum und erklärten: Hätte Gott die schmerzlose Geburt gewollt, er würde sie so leicht wie Erbsenpellen gemacht haben.»
    «Es betrübt mich, von seiten eines Mediziners so unchristliche Äußerungen zu vernehmen. Kein Wunder, daß unsere Gesellschaft kränker ist als jeder Ihrer Patienten.»
    «Großer Gott! Sie werden nicht die Natur der Menschen ändern. Dazu braucht es etwa noch eine Million Jahre der Evolution.»
    «Ich werde für Sie beten», sagte der Mann kummervoll und Sei zu Sir Lancelots Füßen auf die Knie. «Autsch!»
    «Was fehlt Ihnen?»
    «Ich leide unter einem lockeren rechten Kniegelenk, Doktor.» Sein Gesicht verzerrte sich, die eine Hand umfaßte das Knie auf der Stufe. «Es verkeilt sich und ist äußerst schmerzhaft. Kommt immer ganz plötzlich und natürlich dann, wenn’s ganz ungelegen ist.»
    Sir Lancelot hob die Augenbrauen. «Diese lockeren Gelenke sind eine interessante Sache. Man nennt sie manchmal auch . Wenn Sie eintreten wollen, könnte ich die Sperre vielleicht beheben.»
    Er zog den Evangelisten an den Rockaufschlägen hinauf, bis er auf den Beinen stand. Eine Hand legte sich leicht auf seinen Arm.
    «Ich habe Ihr drohendes Verhalten beobachtet», sagte die Polizistin. «Und ich warne Sie, daß ich Sie verhaften werde, wenn Sie Ihre Hände nicht sofort von
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