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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen
Autoren: Richard Gordon
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«Glaubst du, daß ich...» Er machte ein Geräusch wie ein Luftventil in einer alten Gasleitung.
    «Du allein weißt, wie tief du im australischen Sumpf steckst, nicht ich. Vielleicht solltest du dafür sorgen, daß dein Paß in Ordnung ist. Die Profumo-Affäre wirkt dagegen so zahm wie das Klopfen des Briefträgers. Heute abend findet im Parlament eine dringende Sitzung statt. Der Premierminister möchte vor allem — so oder so — der fünf Abgeordneten habhaft werden, die hier deine Patienten sind. Sofern er nicht jedem von ihnen einen Tritt gibt, ist es aus mit ihm, und Donnerstag in drei Wochen wird gewählt.»
    «O mein Gott!» rief der Dean von neuem. «Aber zwei von ihnen...denen ich keine Diagnose stellen konnte...haben sich, als ich das St.-Swithin verließ... für die Nachwahlen aufstellen lassen.»
    «Wie recht hatte doch Lloyd George im Jahre 1922», meditierte Sir Lancelot düster. «Der Juli ist ein schlechter Monat für Premierminister.»
    «Leb wohl, Ponder’s End», rief der Dean in Todesqualen mit himmelwärts gewandten Augen. Sir Lancelot aber bat er: «Könntest du mich vielleicht nach Hause mitnehmen? Ich glaub, ich sollte mich eine Weile nicht in diesem Rolls sehen lassen.»
     

20
     
    «Sie werden meine erste Operation zweifellos hochinteressant finden, Celia», sagte Sir Lancelot, als er am nächsten Donnerstag morgen mit Mrs. Widmore in den Vorhof des Heiligen-Grab-Hospitals einfuhr. «Es ist eine einfache Leistenbruchoperation, aber ich werde sie dazu verwenden, die elementaren Grundregeln der Chirurgie zu demonstrieren.»
    «Sie wird mich gewiß ungeheuer fesseln, Lancelot.» Er reversierte seinen Wagen in die für ihn bestimmte Parklücke. «Ich habe übrigens das Rauchen aufgegeben», teilte sie ihm mit. «Vielleicht ist das für Sie interessant.»
    «Und erfreulich.»
    «Dieses Hospital ist wohl für das Personal einigermaßen mühsam?» Sie bewegten sich auf den Eingang der Unfallstation zu.
    «Nicht für jene, die sich einen Rest humorvoller Resignation bewahrt haben.»
    «Ich wollte, ich könnte das», rief sie lebhaft. «Aber auf der Richterbank wäre diese Einstellung nicht ganz angebracht.»
    Als sie sich durch die von geschäftigem Treiben erfüllte Unfallstation drängten, bemerkte er: «Nächste Woche gehe ich auf Urlaub.»
    «An einen aufregenden Ort?»
    «Ich habe für Reisen, bei denen ich auf mich allein angewiesen bin, nicht viel übrig. Ich bleibe zu Hause. Interessieren Sie sich für Kricket?»
    «Ich liebe es! Mein Gatte spielte gern für Middlesex.»
    «Ach, wirklich? Dann müssen Sie nächsten Donnerstag zu Lord’s mitkommen», drängte er sie. «Da gibt es ein gutes Ausscheidungsspiel. Und nachher haben Sie vielleicht Lust, in meinem Club das Dinner zu nehmen?»
    «Wie reizend! Welcher Club ist es?»
    «Der Sheridan.»
    «Aber bei dem stand doch mein Gatte jahrelang auf der Warteliste!»
    «Und nach dem Dinner -» Sir Lancelot kicherte vergnügt in sich hinein «- würde es Ihnen vielleicht Freude machen, einen netten Gasthof am Flußufer zu besuchen?»
    «Ich liebe Kneipen, aber sagen Sie’s nicht weiter.»
    «Am Ende könnten wir gar in einen Nachtklub gehen?»
    «Warum nicht?» lächelte sie.
    «Und wenn in Ihrem Hotel ein Streik ist, können Sie auf einen Schlummertrunk zu mir kommen.»
    «Aber ich wohne doch nicht in einem Hotel, ich wohne hier», antwortete sie verdutzt.
    «Ach ja, richtig. Natürlich. Verzeihen Sie. Kleine Verwechslung. Übrigens ist meine Wohnung sowieso nicht sehr repräsentabel, seit ich - auf Grund einer unerfreulichen emotionalen Erfahrung - meine Haushälterin auf einen ausgedehnten Urlaub nach Oban schicken mußte.»
    «Sie finden es doch sicherlich sehr traurig, so allein zu leben? Ich jedenfalls finde es.»
    «Ich finde es traurig — aber hoffnungsvoll.»
    Sie blieb stehen, blickte ihn an und lächelte noch zärtlicher. «Mir geht es genauso.»
    «Lancelot!» Sie hatten die überfüllte Wandelhalle erreicht. Inmitten der Menge stand die Oberin, die Hände auf der Brust gefaltet.
    «Die Vorsitzende unseres hiesigen Bezirksgerichts», stellte Sir Lancelot seine Begleiterin höflich vor.
    «Ich habe bereits bemerkt, daß Sie eine neue Bekanntschaft gemacht haben. Leben Sie wohl - Lancelot.» Sie reichte ihm verschlossenen Gesichts ihre Hand.
    «Guten Urlaub», sagte er aufmunternd.
    «Ich gehe auf Nimmerwiedersehen. Da offiziell verlautbart wurde, daß das Heilige Grab für immer und ewig geöffnet bleibt, seit unsere
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