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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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Resi Neuhuber. »Also, da ist noch etwas Bemerkenswertes.«
    »Du meinst, dass die
     Eltern von Regenmandl Fleischhauer waren und er vermutlich mit einem
     Schlachtmesser umgehen kann?«
    »Das auch, aber ich hab
     eigentlich was anderes gemeint: Johnny hatte schon vor dem     
    Techtelmechtel mit Salli
     gelegentlich Freundinnen neben seiner Frau. Eine davon war Charlotte
     Heinrich, die Bachblüten-Lotte.«
    »Und? Was ist das
     Besondere an der Bachblüten-Lotte?«, fragte Feuersang mit
     Engelsgeduld.
    »Zunächst einmal
     ist sie eine sehr gute Masseurin und Chiropraktikerin. Ich gehe jede Woche
     mindestens ein Mal zu ihr. Hab’s im Kreuz, bin ja auch nicht mehr
     die Jüngste. Aber ihren großen Kundenstock verdankt sie nicht
     nur ihren begnadeten Händen. Als Kräuterfrau ist sie noch
     gefragter. Sie kennt für fast jedes organische Leiden einen Sud, ein
     Öl, einen Extrakt oder weiß der Teufel was. Beide Fähigkeiten
     sichern ihr ein ansehnliches Einkommen, was ihr auch vergönnt sei,
     schließlich hatte sie eine mehr als trostlose Kindheit und Jugend.
     Den Job als Tierpräparatorin betreibt sie nur gelegentlich und als
     Hobby. Geerbt hat sie ihn von ihrem Vater, der vor Jahren auf rätselhafte
     Weise verschwunden ist.«   
    »Was du nicht sagst!«
     Feuersangs Aufmerksamkeit glich der eines Kleinkindes vor dem
     Weihnachtsbaum, und Resi Neuhuber lief zu eloquenter Hochform auf.
    »Ja, und Lotte hat dann
     auch einige Jahre an der amerikanischen Pazifikküste gelebt«,
     sagte sie mit geröteten Wangen. »Zwei davon bei den Klingit,
     einem Indianerstamm in der Nähe von Seattle. Und stell dir vor: Wegen
     ihrer medialen Fähigkeiten hat sie von einem Schamanen sogar einen
     Totem-Namen verliehen bekommen: Jechlidi – Rabenkind.«
    Resi Neuhuber hob beide Hände
     und überkreuzte Zeige- und Mittelfinger, als wolle sie damit
     irgendwelche magischen Kräfte von sich fernhalten. »Als Julie,
     die Tochter von Lotte, ins schulpflichtige Alter kam, sind beide wieder
     nach Gastein zurückgekehrt, und Lotte hat sich innerhalb kurzer Zeit
     die Existenz als Chiropraktikerin und Kräuterfrau aufgebaut. Unter
     den Einheimischen gehen die Meinungen über sie ziemlich auseinander.
     Aber in zweierlei Hinsicht sind sich alle einig: Sie ist eine sehr
     interessante Frau, und in früheren Zeiten hätte man sie ganz
     sicher als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«
    »Meinen Sie etwa, dass
     Sie eine Verbindung zwischen den mit Blut aufgemalten Zeichen auf Schleißheimers
     Leichnam und dieser Frau sehen?« Wie meistens hatte Melanie Kotek
     schneller kombiniert als ihre Kollegen.
    Neuhuber stimmte das wieder
     versöhnlich. Sie nickte. »Sie schalten ziemlich schnell. In
     Lottes kleinem Holzhaus in Luggau finden sich viele solcher Zeichen. Die Wände
     ihrer Praxis sind übersät davon.«
    »Das würde die
     Frau aber eher entlasten«, meinte Pernauer, der eben mit Stubenvoll
     aus der Hütte getreten war. »Sie würde doch niemals
     –«
    »Danke, Wastl«,
     unterbrach ihn Kotek hastig. »Frau Neuhuber weiß natürlich
     selbst, dass hier möglicherweise eine falsche Fährte gelegt
     wurde. Kannst du uns schon Genaueres über die Todeszeit sagen?«
     Sie zückte ihr Handy.
    »Der Mann ist gestern
     Nachmittag ermordet worden«, erklärte Pernauer etwas
     verschnupft über die brüske Unterbrechung. »Vermutlich
     zwischen vierzehn und achtzehn Uhr, kann aber auch später gewesen
     sein. Einen exakteren Todeszeitpunkt gibt’s übermorgen nach der
     Obduktion.«
    »Ich bin vielleicht
     nicht Miss Marple«, sagte Resi Neuhuber mit einem vielsagenden
     Seitenblick auf Kotek, »aber auch nicht irgendeine depperte Gebirgsbäuerin.
     Natürlich wären die Malereien à la Hermann Nitsch ein
     ziemlich plumper Hinweis auf die Heinrich.«
    »Apropos Malereien«,
     warf Kotek ein, »ich muss Sie bitten, mit niemandem über die
     Bemalung und die Verstümmelung der Leiche zu reden, auch nicht mit
     Ihren Angehörigen. Je weniger spezifische Infos nach außen
     dringen, umso größer ist unser Vorteil bei Vernehmungen. Sie
     verstehen das sicherlich?«
    Resi Neuhuber nickte. »Natürlich
     verstehe ich das. Aber Bluff hin oder her – unterm Strich hat auch
     Lotte ein Motiv, nämlich Rache. Immerhin hat Salli, ihre ehemalige
     Busenfreundin, ihr mal den Johnny ausgespannt.«
    »Aber deshalb bringt
     man doch nicht gleich jemanden um«, widersprach Feuersang. »Vor
     allen Dingen nicht die
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