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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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Fredls Art, über Nacht wegzubleiben. Im Grunde seines Herzens
     war er ein Schüchti, ein verschrobener Spießer –
     abgesehen von seinen abnormen sexuellen Bedürfnissen. Weiß
     … weiß man denn schon Näheres?«
    Die Ermittler hatten sie mit
     Argusaugen beobachtet. Sie war betroffen, kein Zweifel, aber meilenweit
     davon entfernt, unter der Wucht der Hiobsbotschaft zusammenzubrechen.
    Kotek berichtete mit der
     gebotenen Rücksicht, unter welchen Umständen die Leiche Fredl
     Schleißheimers aufgefunden worden war, unterschlug aber keine
     wichtigen Details. Wieder verriet nichts an der Miene der Witwe, was sie
     dachte oder fühlte.
    Feuersang ließ ihr noch
     ein paar Sekunden Zeit, bis er mit der Tür ins Haus fiel: »Sie
     wissen, dass auch Sie zu den Verdächtigen zählen?«
    Salma Schleißheimer
     zuckte mit den Achseln. »Hätte mich gewundert, wenn nicht. Die
     Ehepartner werden ja immer zuerst unter die Lupe genommen. Der Verdacht
     ist trotzdem lächerlich. Ja, Fredl war nicht meine große Liebe,
     aber ich mochte ihn. Er hat mich nach meiner ziemlich heftigen Jugend
     regelrecht aufgefangen und war in unsren ersten Ehejahren ein rücksichtsvoller
     und verlässlicher Partner. Dass seine wahre Passion minderjährige
     Mädchen waren, wurde mir erst klar, als wir uns in puncto
     Freizeitgestaltung längst arrangiert hatten.«
    »Ein heikles Thema«,
     warf Kotek ein. »Sie haben eine Tochter, wie wir wissen. Sie ist
     dreizehn, fast vierzehn Jahre alt.«
    »Ja, Chrissie ist unser
     einziges Kind«, bestätigte Salma Schleißheimer kühl.
     »Warum fragen Sie nach ihr?«
    »Sie wissen, warum ich
     frage. Wo ist sie?«
    »Bei meiner Mutter. Da
     ist sie oft.« Die Antwort war eine Spur zu schnell erfolgt –
     und eine Spur zu atemlos.
    Kotek ließ die
     Abwesenheit von Christine Schleißheimer zunächst einmal auf
     sich beruhen, formulierte dafür aber die nächste Frage sehr
     direkt: »Lief da etwas zwischen Ihrem Mann und Ihrer Tochter?«
    Salma Schleißheimer
     lief weder rot an, noch gab sie die Empörte. »Chrissie ist auch
     Fredls Tochter – nicht nur meine«, sagte sie ruhig und
     beherrscht. »Und zu Ihrer Frage: Nein, da lief nichts. Nicht das
     Geringste. Das hätte ich sicher bemerkt.«
    »Hätten Sie tatsächlich?
     Wo Sie doch Ihr eigenes Leben leben?«
    »Ich hätte. Hören
     Sie, Sie können mir ja viel vorwerfen, aber nicht, dass ich eine
     schlechte Mutter bin. Da war nichts. Chrissie liebt ihren Vater. Mir graut
     jetzt schon vor dem Augenblick, wenn ich ihr sagen muss, dass er nie
     wiederkommen wird. Und Fredl liebte sie ebenso. Nie hätte er sich an
     ihr vergangen. Für ihn war sie immer nur sein Kind, kein Objekt
     seiner Obsession.«
    »Schön gesagt,
     aber leider gibt es durchaus Väter, die imstande sind, das eine mit
     dem anderen zu vereinbaren.«
    »Nicht Fredl. Für
     Chrissie war er immer nur der Papa, nichts anderes. Ein sehr konsequenter,
     berechenbarer Papa, auf den sie sich verlassen konnte.«
    »Okay, Frau Schleißheimer.
     Dann bleibt vorläufig nur mehr die Frage nach dem Alibi: Wo waren
     Sie, als Ihr Mann ermordet wurde?«
    »Dazu müsste ich
     die Zeit wissen«, parierte Salma Schleißheimer den plumpesten
     aller Verhörkniffe.
    »Gestern Nachmittag
     zwischen vierzehn und achtzehn Uhr.«
    »Um vier Uhr waren wir
     bei meiner Mutter. Sie hatte unsre Katze Stella für ein paar Tage in
     Obhut genommen, die wollten wir abholen. Dann aber sind wir etwa
     eineinhalb Stunden geblieben. Mama macht einen sehr guten Gugelhupf und
     einen noch besseren Cappuccino.«
    »Sie sprechen in der
     Mehrzahl. Wer hat Sie begleitet?«
    »Chrissie natürlich.«
    »Natürlich. Und
     Ihre Mutter kann das bestätigen.«
    »Natürlich.«
    »Gut. Trotzdem müssen
     wir auch mit Ihrer Tochter sprechen. Wir sehen Sie und Ihre Tochter dann
     morgen um zehn Uhr auf dem Hofgasteiner Gendarmerieposten. Sagen Sie Ihrem
     Arbeitgeber Bescheid.«
    »Muss das denn sein?
     Chrissie wird morgen total fertig sein.«
    »Es muss«, sagte
     Kotek. »Wir werden eine Psychologin hinzuziehen –« Die
     weltbekannten ersten Takte aus dem dritten Satz von Robert Schumanns
     vierter Sinfonie unterbrachen sie. Sie zückte ihr Handy. »Oliver,
     was ist?« Sie hörte eine Weile zu. »Okay, ja, mach das.
     Und gute Besserung.« Sie legte auf und blickte nach oben.
    »Werner!«
    Werner Wegener erschien am
     oberen Ende der Freitreppe. »Was gibt’s?«
    »Du musst allein
     zurechtkommen. Oliver ist mit
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