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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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durchtriebenes Luder. Setzte ihren
     Körper ein wie eine Droge und machte ihn zum willenlosen Trottel.
    Bei dem Gedanken, wie viel
     Geld sie ihm heute wieder abluchsen würde, schluchzte er zornig auf.
     Und warum schon wieder ein Handy? Sie hatte doch neulich erst eines
     bekommen! Aber dafür, dass sie ihn letztlich wieder an sich ranlassen
     würde, würde er fast alles tun.
    Der Nachschlüssel für
     die Rettenwänd-Hütte war überflüssig, da ein
     Reserveschlüssel immer unter einer Steinplatte vor der Hüttentür
     lag. Er hatte ihn trotzdem anfertigen lassen – vorsichtshalber. Von
     ihm als anrüchigem Einlieger hatte natürlich niemand eine
     Ahnung, am allerwenigsten der Besitzer. Die einstige Almhütte lag
     abseits der Gadaunerer Hochalm auf einem Höhenrücken nahe der
     Waldgrenze. Wie ihr Name schon andeutete, war sie nicht leicht zu
     erreichen. Vor etlichen Jahren war es noch gar nicht möglich gewesen,
     bis vor die Hüttentür zu fahren – nicht einmal mit einem
     Offroader.
    Der Forstweg dorthin zweigte
     zunächst von der Gadaunerer-Hochalm-Straße auf halber Strecke
     links ab, stieg dann, weil ursprünglich nur zur Holzbringung
     angelegt, sehr steil an und führte schließlich in einer kühnen
     Schleife zur Hütte. Es war nicht ratsam, ihn mit einem gewöhnlichen
     Pkw zu befahren, weshalb die Hütte auch nicht zu den touristischen
     Rennern zählte, selbst die Besitzer nutzten sie nur gelegentlich zur
     Jagd oder vermieteten sie. Schleißheimer wusste fast immer, wann sie
     verfügbar war und wann nicht. Resi Neuhuber, die Frau des Eigners,
     kam zwei Mal wöchentlich in den Schalterraum der Linzer Sparkasse und
     quasselte dann mindestens eine Viertelstunde mit ihm über Gott und
     die Welt. Es bedurfte nur einiger gezielter Fragen seinerseits, um
     Bescheid zu wissen.
    Auch an diesem letzten
     Samstag im September nahm niemand von den Befugten die Hütte in
     Anspruch, da die Neuhubers vollauf mit den Vorbereitungen für das
     Erntedank-Spektakel beschäftigt waren.
    In seinem kleinen Geländefahrzeug
     nahm Schleißheimer die erste steile Kurve, die den Anstieg zu den
     Gadaunerer Hochalmen markierte, und bog fünfzehn Minuten später
     in den Stichweg zur Rettenwänd-Hütte ein. Er war ein guter
     Fahrer und verfügte über einen Wagen, der den Anforderungen des
     Innergebirgs gewachsen war. Rasch hatte er die Kehre erreicht, aber das
     traumhafte Panorama hinauf zum Schwalbenkar würdigte er mit keinem
     Blick.
    Als er vor der zum Chalet
     adaptierten Almhütte hielt, sah er sofort, dass die Tür einen
     Spaltbreit offen stand.
    Eine solche Nachlässigkeit
     passte gar nicht zu ihr! Sie war nicht nur ein durchtriebenes Luder,
     sondern normalerweise auch extrem vorsichtig. Niemand sonst wusste etwas
     von ihren Aktivitäten als Babystricherin, am allerwenigsten ihre
     Mutter.
    »Hallo, mein Kätzchen?«
     Keine Antwort. Er schob die Tür ganz auf. Eine Gestalt erhob sich vom
     Rand der Sitzecke.

 
    2
    WIEDER EINMAL hatten die
     Veranstalter Riesenglück. Die Prognose der Wetterfrösche für
     den Sonntag hielt, sodass unter den Klängen einer der vielen
     Blaskapellen auf dem Kaiser-Franz-Platz die Herreiter an einem traumhaften
     Frühherbstnachmittag einzogen. Ihre Schnalzer-Sinfonien mit den
     meterlangen schweren Peitschen waren einer der Höhepunkte des
     Erntedankumzugs, dazu zeigten circa vierzig Wagengespanne Historisches und
     Aktuelles aus dem bäuerlichen Leben. Unvermeidlich dabei – wie
     bei allen derartigen Veranstaltungen – war der rege Fluss von
     Hochprozentigem aus heimischen Destillen.
    Der Platz war schwarz vor
     Zuschauern. Man stand auf Tuchfühlung, ob man wollte oder nicht.
     Genauso wie die Einheimischen ließen sich die von Jahr zu Jahr
     zahlreicher werdenden »Bauernherbst«-Touristen nur allzu gern
     von der bukolischen Stimmung umfangen. Auffällig viele Mädchen
     und junge Frauen säumten die schmale Gasse, durch die die Reiter die
     prächtig gezäumten Noriker lenkten.
    Eines der Mädchen,
     rotblond, etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alt und viel zu mager für
     sein Alter, stand in der Mündung der Weißgerbergasse zwischen
     »Salzburger Hof« und »Hotel Moser«. Als einzige
     Person in der Menge hatte es keine Augen für das rustikale Spektakel,
     sondern starrte wie betäubt ins Leere, wobei es sein hypermodernes
     Handy noch immer ans Ohr presste, obwohl der Gesprächsteilnehmer längst
     aufgelegt hatte.
    Ein anderer Zaungast in
    
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