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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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Schlachthaus! Fast hätte ich gekotzt. Man konnte es mit einem Blick
     sehen: Da hat ein Irrer ganze Arbeit geleistet, und zwar schon vor
     geraumer Zeit.«
    Alfred Schleißheimers
     Leichnam bot tatsächlich keinen schönen Anblick. Splitternackt
     und mit gespreizten Beinen lag er auf dem Hüttentisch –
     inmitten einer riesigen angetrockneten Blutlache. Jemand hatte ihm den
     Penis samt Skrotum fein säuberlich abgeschnitten und zwischen die Zähne
     gestopft. Auf Stirn, Wangen, Brust und Bauch war mit Blut etwas gemalt
     worden, das an magische Zeichen erinnerte – die allerdings auch längst
     angetrocknet und teilweise abgebröselt waren. Erst beim zweiten Blick
     fiel der Einstich in Herznähe auf.
    »Sein eigenes Blut«,
     sagte Pernauer überflüssigerweise. »Wahrscheinlich liegt
     er schon seit gestern da.« Als er seine Hand bewegte, veränderte
     sich auch das monotone Summen der Fliegen.
    »Der Leichnam hat
     übrigens daruntergelegen.« Er wies auf eine bunt bedruckte
     Wolldecke, die jemand achtlos auf die Bank der Sitzecke geworfen hatte.
     »Jemand muss sie von ihm runtergezogen haben, als das Blut schon
     gestockt war, aber dieser Jemand muss nicht unbedingt der Mörder
     sein.«
    »Wie ist der Mann zu
     Tode gekommen, Wastl?«, fragte Melanie Kotek, während sie
     Wegener beim Fotografieren zusah. Sie selbst hatte vor Jahren ebenfalls
     als Tatort-Fotografin beim LGK angefangen.
    »Zunächst hat ihm
     jemand einen wuchtigen Schlag gegen die rechte Schläfe versetzt, wie
     die Verfärbung hier beweist.« Er zeigte auf einen kaum
     sichtbaren Bluterguss. »Mit einem harten runden Gegenstand,
     vielleicht einem Totschläger. Jedenfalls hat ihn dieser Hieb betäubt.
     Unmittelbar danach wurde er geschächtet.« Die Stichwunde am
     Halsansatz war relativ klein und unscheinbar. »Deshalb auch die
     Sauerei hier am Tisch und die wenig ausgeprägten Totenflecken. Der
     Stich unter dem linken Rippenbogen hindurch nach oben in den Ventrikel war
     nur noch Draufgabe. Der oder die Mörder wollten auf Nummer sicher
     gehen. Sowohl der Schlag als auch der Messerstich, der im spitzen Winkel
     am Sternum vorbeigeführt wurde, weisen den Mörder als Linkshänder
     aus. Es sei denn …«
    »Es sei denn was?«,
     fragte Kotek.
    »Es sei denn, der Mörder
     hat sein Opfer von hinten attackiert. Dann könnte er auch Rechtshänder
     sein. Ich seh mir das daheim mal genauer an.«
    »Anzeichen von
     Gegenwehr?«
    Pernauer schüttelte den
     Kopf. »Nein. Der Ermordete dürfte mit der Attacke nicht
     gerechnet haben. Der Schlag traf ihn überraschend und präzise.
     Man kann ihn durchaus als ›Keulung‹ bezeichnen, so exakt
     wurde er ausgeführt. Deutet also auf einen Profi hin – wie auch
     die Messerführung bei den Stichen in Halsschlagader und Herz und der
     Totalkastration. Eigentlich wären für diese Aktionen
     verschiedene Klingen nötig gewesen, es sei denn, der Täter hat
     ein Schlachtmesser benutzt, wie man es für das Ausbluten, Zerteilen
     und Entbeinen von Nutztieren verwendet.«
    »Ein Schlachtmesser?«,
     fragte Kotek etwas konsterniert. »Wie soll ich mir das vorstellen?
     Wie eine Art Machete?«
    Pernauer lachte. »O
     Gott, nein! Ein Schlachtmesser ist ein eher unscheinbares Gerät.
     Sieht aus wie ein mittelgroßes Küchenmesser, das oft
     geschliffen wurde. Nur der Fachmann erkennt, was er da in der Hand hält.
     Das Heft ist äußerst stabil, die schmale Klinge aus
     Spezialstahl scharf wie ein Skalpell und die Spitze zusätzlich ausgehärtet,
     damit sie beim Entbeinen nicht abbricht oder sich verbiegt.«
    »Das würde den Täterkreis
     ziemlich einschränken«, meinte Chefinspektor Feuersang. Sein
     animalisches Erscheinungsbild faszinierte Resi Neuhuber noch immer. Noch
     nie hatte ein Mann sie bisher so stark an den hofeigenen Pinzgauer
     Zuchtstier namens Rudi erinnert, wie es der Chefinspektor jetzt tat.
    »Ja, aber nicht nur auf
     Metzger, Jäger, Chirurgen und Profikiller«, sagte Pernauer.
     »Hier in den Tauerntälern im Innergebirg stammt jeder Zweite
     aus Familien mit bäuerlichem Hintergrund. Die meisten von ihnen können
     mit Hirschfänger und Schlachtmesser umgehen – Männlein wie
     Weiblein.«
    »So wie Personen aus
     dem Gastgewerbe«, ergänzte Feuersang.
    Melanie Kotek verzog ihren
     schönen Mund. »Wie tröstlich. Dann können wir ja
     gleich mal die Hälfte der Talbevölkerung verhaften. Aber sehe
     ich das richtig, dass dies keine Tat aus Leidenschaft, sondern eine
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