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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen
Autoren: Jaromir Konecny
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der Bahn werfen! »Wollt ihr noch ein Stück …«
    »Uaaah!« Das Gebrüll kam vom Balkon. Krieg? Überfall? Atombombe! Annes »Jetzt-ist-mir-alles-egal-Miene« verwandelte sich augenblicklich in einen Ausdruck des Schreckens.
    »Wau, wau!« Bellend und jaulend jagte Napoleon vom Balkon an der Küchentür vorbei und begann an der Wohnungstür zu kratzen. He? Ich lief aus der Küche ins Wohnzimmer, doch schon durch die offene Balkontür sah ich, dass Dok nicht mehr auf dem Balkon stand. Fuck! Ich flitzte zur Wohnungstür. »Was ist passiert?«, kreischte Anne aus der Küche und stürzte ohnmächtig zu Boden.
    »Das ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, rief ich Lena zu. »Das passiert hier einmal die Woche. Kaltes Wasser hilft!« Zuerst musste ich mich um Dok kümmern. Ich riss die Wohnungstür auf und hüpfte mit Napoleon die Treppe runter, aus dem Haus raus und um unseren Häuserblock herum.
    Dok war mit seiner Satellitenschüssel direkt auf dem Rosenbusch von Emres Eltern gelandet. Jetzt kämpfte er sich aber schon ächzend heraus, die Schüssel immer noch in den Händen, mit zerkratzten Armen und zerkratztem Gesicht. Emres Eltern hatten direkt am Haus einen kleinen Garten angebaut, wie alle Nachbarn im Erdgeschoss unseres Häuserblocks. Zum Glück waren sie nicht zu Hause. Nur der kleine Emre. Er stand auf Distanz zu meinem Vater, mit weit aufgerissenen Augen.
    »Oida!«, sagte er zu mir. »Isch hab gedacht, dein Baba is’ Loser. Aber der is’ voll krasser Typ, ey. Wie Superman is’ er auf seiner Schüssel so geflogen so. Er muss nur coolen Superman-Dress anziehen. So kinomäßig so. Dann ist dein Baba voll der King in Neuperlach!«

    »Dann heute um fünf!«, sagte ich zu Lena. Mit dem Geigenkoffer in der Hand lief sie die Treppe runter. Die Lederpille steht ihr besser. Napoleon machte mit der Schnauze die Tür zu und legte sich in sein Körbchen im Flur. Nach dem Kuchen und Doks Showeinlage war Siesta angesagt.
    »Lena wäre eine sehr gute Freundin für dich«, sagte Anne in der Küche.
    »Lass das, Mama!«
    Anne versuchte, den knittrigen Halsausschnitt an meinem T-Shirt zu glätten. »Versuche nur nicht, hier etwas mit einem türkischen Mädchen anzufangen. Die Türken sind in solchen Sachen sehr empfindlich.«
    »Aber, Mama! Wir leben doch nicht im Mittelalter.«
    »Bei den Türken herrschen andere Sitten. Gerade gestern habe ich in der Zeitung über ein türkisches Mädchen gelesen, das … hmm … es muss nicht gerade Ehrenmord sein, aber …«
    »Jetzt hör auf damit, Mama!«
    »Du warst schon einmal wegen eines türkischen Mädchens sehr …« Anne stutzte und legte sich die Hand auf den Mund.
    Ein kleiner Blitz rauschte durch meinen Kopf, erlosch aber sofort wieder. »Was war ich wegen eines türkischen Mädchens?«
    »Ach, nichts!«, sagte Anne. Sie seufzte. »Ich bringe in der letzten Zeit alles durcheinander. Pass nur auf! Mit den türkischen Mädchen ist das nicht so einfach wie mit den deutschen. Wenn die sich mit einem Jungen einlassen, müssen die ihn heiraten. Du bist noch zu jung für solche Sachen.« Ich ließ sie in der Küche sitzen und guckte nach dem Verletzten. Was hatte sie damit gemeint? Ich kannte doch gar kein türkisches Mädchen.
    »Ächz, ächz« – Dok pumpte in seinem Zimmer hoch und runter – seine übliche Liegestützen-Therapie. »Vielleicht solltest du dich besser vom Arzt durchchecken lassen«, sagte ich. »Ob alle Knochen …«
    »Nee!«, sagte Dok. »Mit etwas Training vertreibst du die Schmerzen ruck, zuck.«
    »Das war wieder mal ein heftiges Abenteuer«, sagte ich.
    Dok hockte sich auf das Sofa und wischte sich den Schweiß mit einem Handtuch ab. »Weißt du, Jonas! Ich wollte schon immer Handwerker werden. Ein Elektriker, oder ein Schreiner … ein Schlosser wäre schön … Oder Maurer würde mir gut gefallen, aber auch auf’m Bau hat’s nicht geklappt.«
    »Nachtwächter im PEP ist doch ein super Job«, sagte ich.
    »Schämst du dich vor den Jungs im Gymnasium nicht, dass ich als Nachtwächter arbeite? Die Väter deiner Schulfreunde in Oberhaching waren doch alle Anwälte und Computerexperten und so …«
    »In Neuperlach ist das anders«, sagte ich. »Schnauze findet deinen Job voll cool!«
    »Echt?« Er zog den Gürtel an seiner Jeans fester.
    Im Flur stießen wir mit Anne zusammen. »Leg dich doch hin!«, sagte sie zu Dok.
    »Magst du mit mir unser Tandem fahren?«, fragte Dok. Er hatte ganz allein aus Ersatzteilen ein Tandem gebaut, aus zwei
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